Mittwoch, 11. Juli 2018

Mundklemme

Es gibt Todesursachen, bei denen man besser doppelt hinguckt, nur um sicherzugehen, dass man sich auch nicht verlesen hat. Die "Mundklemme" gehört bestimmt dazu, insbesondere dann, wenn man sie in einem Eintrag findet, den Pastor Eggerling mit seiner kratzigen Schrift im Wertheraner Kirchenbuch niedergelegt hat.

Gefunden habe ich diese "Mundklemme" beim ungetauften Sohn des Ackerbürgers Hartwig Heinrich Horstmannshoff und seiner zweiten Frau, Marie Elisabeth geb. Dulige aus Ascheloh. Der Kleine war am 20.09.1863 in Werther Nr. 61 geboren worden und ist am 26.09.1863 dann schon wieder dort gestorben; beerdigt wurde er am 29.09.1863 (Quelle: Kirchenbuch Werther, Sterbeeinträge Stadtgemeinde, 49/1863).

Zuerst konnte ich mir unter einer Mundklemme nicht wirklich etwas vorstellen. Ich hatte den Begriff als solchen noch nie gehört. In solchen Fällen befragt man, wie könnte es anders sein, das Internet. Bei GenWiki konnte ich bei den Krankheitsbezeichnungen zwar Mundbrand, Mundfäule, Mundhitze und Mundschwamm finden - was sich alles auch nicht wirklich gut anhört und meist mit Infektionen und Bakterien zu tun hat -, aber keine Mundklemme. Also weiter zur Allzweckwaffe wikipedia.

Dort wird man direkt zum Artikel "Kieferklemme", medizinisch: Trismus, weitergeleitet. Darunter leidet man, wenn man wegen eines tonischen Krampfes der Kaumuskulatur den Mund nur ganz wenig oder sogar überhaupt nicht öffnen kann. Das kann entweder durch eine Entzündung des Kiefergelenks oder seiner unmittelbaren Umgebung oder aber durch einen Bruch des Unterkiefers bedingt sein. Auch Wundstarrkrampf kommt als Ursache in Frage.

Wenn ich so darüber nachdenke, dann erscheint mir eine so schwere Entzündung direkt nach der Geburt doch eher unwahrscheinlich, so dass ich eher davon ausgehe, dass diese eine ziemlich schwere Geburt war, die vielleicht nicht so ganz komplikationslos verlaufen ist. Wundern würde es mich nicht; schließlich war die Mutter schon fast 41 Jahre alt; nur zwei Tage nach dem Tod ihres Kindes hatte sie Geburtstag. 

Ich bin ja nun keine Medizinerin, also könnte es auch anders gewesen sein. Aber ich kann mir vorstellen, dass sie es damals einfach nicht geschafft haben, den kleinen Wurm damals mit ausreichend Nahrung bzw. Flüssigkeit zu versorgen. Kein Wunder, wenn er dann keine sechs Tage alt geworden ist, und selbst diese paar Tage dürften für ihn alles andere als angenehm gewesen sein. Wenn man ehrlich ist, dann war die Mundklemme wohl nur nur die indirekte Todesursache. Dehydration dürfte die direkte gewesen sein. Um es ganz brutal zu sagen: Wahrscheinlich ist der Kleine verdurstet.

Heute kann man Trismen übrigens medizinisch in den Griff bekommen, entweder durch die Behandlung der sie verursachenden Entzündung (Stichwort: Antibiotika) oder aber durch Dehnungsübungen mit Holzspateln, am besten unter wärmendem Rotlicht. Zur Not muss halt operiert werden. Auch gegen die Dehydration kann man mittels Infusionen wirksam anarbeiten.

Wäre der Kleine also heute zur Welt gekommen, dann hätte er seine Mundklemme vermutlich überstanden (oder es wäre gar nicht erst zu einer gekommen).

Soviel zu den guten alten Zeiten.


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