Dienstag, 6. Oktober 2020

Von Forschern und Buchhaltern

Eine Freundin von mir ist Buchhalterin und, soweit ich das mit meinen bescheidenen Buchhaltungskenntnissen beurteilen kann, eine gute. Ab und zu lädt sie ihren Frust bei mir ab, wenn ihre lieben Kollegen mal wieder Buchungen auf Konten gezaubert haben, die da eigentlich so nicht hingehören. Irgendwann fällt immer ein bestimmter Satz: 

"Ich hab' halt gerne meine Konten schön." 

Ich kann's verstehen, denn im Grunde geht es mir mit Stammbäumen genauso. 

Mich nerven keine falschen Buchungen, aber lose Enden. Ich weiß, dass viele Forscher beim Gedanken an die letzten 120 Jahre abfällig grinsen, weil sie Forschung eigentlich erst ab dem 18. Jahrhundert rückwärts so richtig Ernst nehmen, aber ich finde das verfehlt. Wir haben alle Familien, bei denen diverse Leute im 19. Jahrhundert geboren und im 20. Jahrhundert gestorben sind - alleine bei mir im Stammbaum sind das ein paar Hundert Leute. Aber es kann halt gut sein, dass jemand, der 1860 geboren wurde, noch gelebt hat, als die unsäglichen Nazis an die Macht kamen. Es ist auch erstaunlich, welche Heiraten man noch findet, wenn man nur danach sucht, denn das Familiengedächtnis ist bei den meisten Familien halt relativ kurz. 

Ich bin deshalb gerne in den Personenstandsregistern des 20. Jahrhunderts unterwegs. Klar, wir freuen uns alle, wenn wir "neue" Vorfahren im 17. Jahrhundert und davor entdecken, aber das sollte nicht dazu führen, dass wir die anderen, die später gelebt haben, weniger wichtig nehmen. Im Klartext: Ich habe lieber einen kleinen, aber gut recherchierten und mit Quellen unterlegten Stammbaum als einen riesigen mit 60.000 Lücken. 

Ich hab' halt gerne meinen Stammbaum schön.. 

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