Montag, 7. Januar 2019

Die alte Frage: Ist Blut eigentlich wirklich dicker als Wasser?

oder: Wer sind eigentlich "Eltern"?


Dass die Antwort auf diese Frage nicht ganz so einfach ist, sieht man schon allein daran, dass unser Bundesjustizministerium im Februar 2015 einen Arbeitskreis "Abstammungsrecht" ins Leben gerufen hatte, in dem elf Sachverständige aus den Bereichen Recht, Ethik und Psychologie klären sollten, ob das deutsche Familienrecht  "angesichts der Vielzahl von Familienkonstellationen und der Entwicklungen in der modernen Reproduktionsmedizin" reformbedürftig sei. Dieser Arbeitskreis brauchte zwei Jahre, um zu dem Schluss zu kommen, dass das sehr wohl der Fall ist: Im Abschlussbericht werden immerhin geschlagene 91(!) Thesen zur Modernisierung des Abstammungsrechts aufgestellt. 

Man muss aber gar nicht mal alles auf die moderne Medizin schieben. Auch für den gemeinen Familienforscher, der sich meist noch nicht einmal mit Themen wie Samenspende und Leihmutterschaft befassen muss, ist der Elternbegriff manchmal doch mit einigen Komplikationen verbunden. 

Ein Beispiel gefällig? Hier ist eins: 

Nehmen wir mal an, dass ein Kind adoptiert wird. Das muss noch nicht einmal heißen, dass die biologischen Eltern früh gestorben sind - es konnte "damals" wie heute auch gut sein, dass einfach die wirtschaftlichen Verhältnisse es nicht zuließen, dass ein Kind bei seinen leiblichen Eltern aufwachsen konnte. Oft waren die späteren Adoptiveltern zwischenzeitlich auch schon als Pflegeeltern aktiv. Manchmal blieb es aber auch einfach bei dem Pflegeverhältnis.

Oder - auch sehr menschlich: 

Der Mann, mit dem die Mutter eines Kindes verheiratet ist, ist eben nicht auch dessen leiblicher Vater, und das Kind wächst als "Kuckuckskind" auf. Was ist, wenn man genau von diesem "Kuckuckskind" abstammt? Während heute ein DNA-Test solche Familien oft ziemlich schnell und gründlich auseinander bringt, wurden auch im 20. Jahrhundert solche Konstellationen oft (aber nicht immer) noch mit gewissen "Kompensationszahlungen" gelöst, die dann mit einer Stillschweigensklausel einher gingen. Klatsch und Tratsch wird es aber auch dort genug gegeben haben, denn manche Dinge haben sich wohl auch in den letzten Jahrhunderten nicht wesentlich verändert. 

In beiden Fällen fallen die biologische und die rechtliche bzw. die soziale Elternschaft auseinander. Wenn man sich die rechtliche Seite anguckt, dann sieht man sogar, dass bis vor nicht allzu langer Zeit nichtleheliche Kinder nicht als mit ihrem Vater verwandt galten, was man sich heute eigentlich gar nicht mehr vorstellen kann. 

Welche Linie sollte man also erforschen? 

Ich glaube, in dieser Situation ist es gerechtfertigt, sich beide Elternpaare vorzunehmen, aber das ist nur mein persönlicher Geschmack. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir damals in der Oberstufe im Pädagogik-Unterricht diskutiert haben, was denn nun entscheidender für die Entwicklung eines Kindes ist: Seine Gene oder seine Umgebung? Darüber könnte man wahrscheinlich endlos debattieren, aber aus meiner Sicht kann man im Endeffekt nur davon ausgehen, dass beides eine Rolle spielt. 

Ich würde die Forschung aber nicht auf die Spitze treiben, denn sonst wird es erstens unübersichtlich, und zweitens geht der Bezug zum eigentlichen Forschungssubjekt ja irgendwann verloren... 

Wenn ich auf solche Fälle treffe - und das ist durchaus schon vorgekommen -, dann ist mein Stammbaumprogramm in der Lage, beide Elternpaare zu erfassen und auch die jeweiligen Rechtsbeziehungen darzustellen. Aber auch dann, wenn ich kein Stammbaumprogramm nutzen würde, würde ich schon die Familie erforschen, in der mein Forschungssubjekt aufwächst, zumindest in der Eltern- und vielleicht auch noch in der Großelterngeneration, wenn alle unter einem Dach wohnten. Die Bezugspersonen halt. 

Ansonsten würde ich parallel dazu "ganz normal" bei den leiblichen Eltern weitermachen (man merkt, dass ich hier versuche, einen Bogen um das Wort "Blutlinie" zu machen: Es klingt so archaisch und bekommt schnell eine Konnotation, die ich hier nun wirklich vermeiden möchte...), oder zumindest mit den Leuten, die ich für die leiblichen Eltern halte. Denn wer weiß, vielleicht war der Vater ja doch jemand anders ...? 

Manchmal kommt mir der Gedanke, dass es ohne die DNA-Sache einfacher war... ;-)





 

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