Freitag, 30. März 2018

Die Geburten in Werther im Jahre 1907 - eine kleine Statistikspielerei

Im Moment bin ich gerade dabei, die Geburten des Jahres 1907 in "Werthers Gedächtnis" einzuarbeiten. Wenn mich in letzter Zeit jemand im "Schloss" in Werther angetroffen hat, wo ja inzwischen Bücherei und Stadtarchiv untergebracht sind, und sich gewundert hat, warum ich so frenetisch vor einem alten Buch sitze und vor mich hinschreibe, dann ist das die Erklärung: Ich habe die 154 Geburten fein säuberlich abgepinnt. Inzwischen bin ich ziemlich gut und ziemlich schnell darin, was ja auch kein Wunder ist, weil die Einträge im Grunde immer nach demselben Schema aufgebaut sind. Ein paar Stunden hat es dann trotzdem gedauert.

Als ich den kompletten Jahrgang dann in meinem Ringbuch stehen hatte, erwachte dann wieder die kleine Statistikerin in mir... und hier ist nun das Ergebnis.

Die Basisfakten:

männlich: 73
weiblich: 81
ev./luth.: 153
andere: 1
ehelich: 149
unehelich: 5
Einzelgeburten: 150
Mehrlingsgeburten: 4
totgeboren: 0
lebend geboren: 154

Die Mädchen waren also eindeutig in der Mehrzahl. Man kann sich denken, was das in einer Kleinstadt bedeutete, zumal der Jahrgang 1907 ja zu denen gehörte, die gleich zwei Weltkriege mitmachen mussten: Den ersten noch als Kinder zwischen sieben und 11 Jahren, den zweiten dann als Erwachsene in dem Alter, in dem man eigentlich damit beschäftigt sein sollte, sich eine Existenz aufzubauen. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs würden diese Kinder hier 31 oder 32 Jahre alt sein. Das heißt auch, dass die meisten der kleinen Jungen hier irgendwann in Uniform steckten und Glück hatten, wenn sie den Krieg überhaupt überlebten. So, wie ihre Väter eine Generation davor.

Das eine "andere" Kind war übrigens nicht katholisch, sondern "mosaisch", also jüdisch: Familie Sachs in Werther Nr. 76 hatte Nachwuchs bekommen, ein Mädchen namens Hedwig. Den Holocaust erlebte sie nicht, denn nach meinen Informationen ist sie schon 1909 wieder gestorben.

Es gab zwei Zwillingspärchen; alle anderen waren Einzelgeburten. Totgeburten habe ich nicht gefunden.

Richtig Spass machte mir die Auswertung der Vornamen - so langsam kam man in der Zeit an, in der man nicht mehr jedes Kind nach seinen Paten benannte. Man wurde insgsamt zumindest etwas kreativer, auch in der Anzahl der Namen, die man seinem Nachwuchs mit auf den Weg gab:

ein Vorname
11
zwei Vornamen
46
drei Vornamen
94
vier Vornamen
2
fünf Vornamen
1
gesamt
154

Es gab also immerhin elf Kinder, bei denen den Eltern ein Vorname reichte.

Was die einzelnen Namen angeht:
Platz
Mädchen
Jungen
1
Marie/Maria (34)
Wilhelm (33)
2
Johanne /Johanna (25)
Heinrich (32)
3
Anne/Anna (16)
August (25)
4
Luise (12)
Emma (12)
Auguste (12)
Hermann (21)
5
Martha (11)
Gustav (14)
6
Elisabeth (7)
Frida (7)
Paul (11)
7
Wilhelmine (6)
Friederike (6)
Friedrich (10)
8
Karoline (5)
Pauline (5)
Paula (5)
Rudolf (4)
Karl (4)
9
Alwine (4)
Ernst (3)
Erich (3)
Peter (3)
Julius (3)
10
Lina (3)
Helene (3)
Else (3)
Erna (3)
Henriette (3)
Hugo (2)
Eduard (2)
Otto (2)
Hellmut (2)
Ludwig (2)
Walter (2)
Bernhard (2)
11
Meta (2)
Klara (2)
Elfriede (2)
Emilie (2)
Minna (2)
Franz (1)
Arthur (1)
Adolf (1)
Emil (1)
Ewald (1)
Alfons (1)
Alfred (1)
Hans (1)
Georg (1)
Johannes (1)
Martin (1)
Christian (1)
12
Dorothea (1)
Hertha (1)
Christine (1)
Ida (1)
Anneliese (1)
Alma (1)
Lisette (1)
Regine (1)
Elise (1)
Bertha (1)
Gerhardine (1)
Charlotte (1)
Hedwig (1)
Margarethe (1)



In diesem Sinne kann man also festhalten, dass die "alten" Namen zwar durchaus noch weit verbreitet waren, es aber trotzdem ein paar Modenamen gab, die sich immer mehr durchsetzten. Bei den Mädchen waren das teilweise Kurzformen wie Lina, Minna oder Else, aber auch die Marthas, Paulas und Paulines nahmen zu. Im Grunde unterscheiden sich die Namen hier gar nicht mal so sehr von denen, die heute vergeben werden - wenn man mal davon absieht, dass heute wohl kaum jemand seine Tochter "Gerhardine" nennen würde. Ich glaube, Gerhardine war eine Art Ausrutscher. Was mir aber aufgefallen ist, ist die Abnahme des Namens "Margarethe", der ja über Jahrhunderte ein echter Klassiker war: In diesem Jahr gab es nur noch eine.

Bei den Jungs ging es noch etwas traditioneller zu: Am liebsten nannte man sie immer noch Wilhelm, August, Heinrich oder Hermann, am besten natürlich untereinander kombiniert. Dafür gibt es überhaupt keine Johanns mehr (obwohl "Johanne" ja immer noch sehr beliebt war!); die Gustavs und Pauls waren dagegen stark im Kommen. Und ja, beide "Hellmuts" waren mit Doppel-L geschrieben.

Schade, dass die Rufnamen nicht schon feststanden. Das hätte das Bild wahrscheinlich noch ein bisschen übersichtlicher gemacht.

Mal gucken, vielleicht lege ich mir eine Statistik an, die sich über die verschiedenen Jahrzehnte erstreckt. Wäre mal interessant zu sehen, wie sich die Namensgebung im Mikrokosmos Werther so im Laufe der Zeit entwickelt.