Donnerstag, 31. Juli 2014

Mein kleiner privater Kampf mit dem Ersten Weltkrieg

In diesen Tagen kommt man um das Thema "Erster Weltkrieg" ja nicht wirklich herum. Ich auch nicht - meine Kenntnisse zu diesem Thema sind leider trotz diverser Jahre gymnasialen Geschichtsunterrichts eher rudimentär. Ich meine mich noch zu erinnern, dass von dem "Hurra-Patriotismus" im August 1914 die Rede war. Dann hieß es aber nur noch: "Deutschland hat den Krieg verloren und musste horrende Reparationszahlungen leisten, was zusammen mit der Hyperinflation den Aufstieg der Nationalsozialisten begünstigte."
Das war's. Mehr gab es zu den vier Jahren anscheinend nicht zu sagen. Falls ja, dann habe ich es dank der äußerst monotonen Sprechweise meines Geschichtslehrers verschlafen. Hätte ich damals allerdings gewusst, was ich heute über meine Familiengeschichte weiß, dann hätte ich mich wohl wenigstens bemüht, ihm zuzuhören.
Wenn man die Geschichte der eigenen Familie mit der Weltgeschichte verknüpfen kann, dann wird die Weltgeschichte ungleich interessanter. Ich kann meine familiengeschichtliche Frage hier gerne noch einmal wiederholen:
Wie zum Teufel kann es sein, dass ein Dreiundzwanzigjähriger aus einem kleinen Dorf in Ostwestfalen, Vater von zwei kleinen Kindern und Mitglied im Radfahrerverein, ausgerechnet kurz vor Wilna sein Ende 90c3e-heinrichwilhelmsickendiekfindet?
Genau, ich meine meinen Urgroßvater Heinrich Sickendiek. Über ihn hatte ich ja schon mal in einem der älteren Posts ziemlich ausführlich geschrieben (hier ist der Link).
Eine konkrete Antwort darauf habe ich noch immer nicht gefunden. Ich bin aber dabei, meine Kenntnisse zum Thema "Erster Weltkrieg" zu erweitern. Dabei hilft mir ein Buch von Herfried Münkler, "Der Große Krieg - Die Welt von 1914 bis 1918". Nach 150 Seiten bin ich zwar schon ein bisschen schlauer, aber das entscheidende Puzzlestück fehlt mir immer noch. Vielleicht finde ich es ja noch irgendwo in den verbleibenden 650 Seiten - oder dem darauf folgenden knapp 200 Seiten starken Anhang.
Wie es scheint, gibt es doch ein paar mehr Dinge zum Ersten Weltkrieg zu sagen als die paar Sätze, die ich damals in der Schule gehört habe... 

Montag, 21. Juli 2014

Was genau war eigentlich der Kinderschrecken?

Haben Sie auch so unglaublich viele Kinder im Stammbaum, die am "Kinderschrecken" gestorben sind?
Es sind bei mir jedenfalls zu viele, um dieses Phänomen einfach mit dem plötzlichen Kindstod (wie wir ihn heute kennen) erklären zu können, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind heute einen plötzlichen Kindstod stirbt, bei dem keine konkrete Ursache festgestellt werden kann, liegt "nur" bei ungefähr 0,04 Prozent.
Wenn ich dann aber in einer Kleinstadt in einem Jahr knapp 20 Kleinkinder finde, bei denen als Todesursache "Kinderschrecken" angegeben ist, dann würde ein Vergleich ungemein hinken. Das Problem dürfte also eindeutig in der Diagnostik gelegen haben.
Klar, die Diagnosemöglichkeiten waren begrenzt, und wir reden hier ja nun auch von Kleinkindern: von den kleinen Geschöpfen, die eben noch nicht in der Lage waren, explizit zu schildern, welche gesundheitlichen Probleme sie denn gerade plagten. Die einzigen Möglichkeiten, die vor Ort zur Verfügung standen, waren wahrscheinlich das Abtasten des Körpers und der ganz normale Augenschein.
Oft war als Todesursache ja auch "Schwäche" angegeben, was wahrscheinlich die Kinder betraf, bei denen man schon länger (vielleicht ein paar Tage oder Wochen?) vor ihrem Tod bemerken konnte, dass sich da etwas Ungutes zusammen braute. Der Umkehrschluss wäre dann der, dass der "Kinderschrecken" ziemlich plötzlich zugeschlagen haben müsste.
Und warum nannte man den Kinderschrecken eigentlich Kinderschrecken? Stellt man ihn sich als dunkle Gestalt vor, die nachts die kleinen Kinder holte? Im Englischen gibt es ja den "bogeyman", vor dem sich der Nachwuchs gefälligst in Acht nehmen sollte. Ist es hier so ähnlich? Oder meinte man eher den Schrecken, den die Eltern bekommen mussten, wenn sie ihr vor kurzem noch quietschfideles Kind plötzlich tot im Bettchen fanden?
Vielleicht ja beides, aber ich kann mir gut vorstellen, dass ein gewisses Maß an Aberglauben auch eine Rolle spielte. Umso bemerkenswerter, dass sich der Ausdruck "Kinderschrecken" so oft in Kirchenbüchern findet - man hätte ja genau so gut auch "unbestimmt" schreiben können, wie man es bei älteren Kindern und Erwachsenen hielt.
Der Begriff "Kinderschrecken" taucht jedenfalls in keiner der üblichen "Todesursachenerklärungslisten", die man im Netz so findet, auf. Das ist auch schon meinen Forscherkollegen hier im Umkreis aufgefallen, mit denen ich mich ja regelmäßig austausche. Wenn man den Begriff googelt, dann fragt Google übrigens gleich nach, ob man nicht vielleicht doch "Kind erschrecken" meinte... wobei ich mich dann wieder frage, welche Art von Menschen ausgerechnet so etwas googeln würde?!
Ganz davon abgesehen: Wenn Sie nicht in OWL forschen - ist Ihnen der Begriff schon einmal über den Weg gelaufen? Ich bin neugierig!

Freitag, 18. Juli 2014

1. Weltkrieg: Teilnehmer aus der Stadt Werther, Nachname mit "A":

(aus: "Das Kirchspiel Werther und der Krieg von 1914-1918")

Nachname, Rufname, Beruf, Hausnummer, Dienstzeit, Dienstgrad
Anführungszeichen (") zeigen Brüder an. 

Abendroth, Heinrich, Schlosser, Nr. 190, 1914-1918, Sergeant

Abt, Karl, Schmiedemeister, Nr. 15, 1914-1918, Gefreiter

Allrogge, Heinrich, Tischler, Nr. 57, 1915-1916 (gefallen), Musketier

     "       , Hermann, Sattler, Nr. 57, 1916-1917, Schütze

1. Weltkrieg: Teilnehmer aus der Stadt Werther, Nachname mit "A"

(aus: "Das Kirchspiel Werther und der Krieg von 1914-1918")

Nachname, Rufname, Beruf, Hausnummer, Dienstzeit, Dienstgrad
Anführungszeichen (") zeigen Brüder an. 
Abendroth, Heinrich, Schlosser, Nr. 190, 1914-1918, Sergeant
Abt, Karl, Schmiedemeister, Nr. 15, 1914-1918, Gefreiter
Allrogge, Heinrich, Tischler, Nr. 57, 1915-1916 (gefallen), Musketier
"       , Hermann, Sattler, Nr. 57, 1916-1917, Schütze

Donnerstag, 17. Juli 2014

Das Kirchspiel Werther und der Krieg 1914-1918

Wenn sich der Beginn des Ersten Weltkriegs in diesen Tagen zum hundertsten Mal jährt, dann kann (und will!) ich das natürlich auch hier im Blog nicht unberücksichtigt lassen. Dazu ist das Thema einfach zu wichtig!

Ein wahrer Fundus an Informationen für Heimat- und Familienforscher ist das Buch "Das Kirchspiel Werther und der Krieg 1914-1918", das sich wahrscheinlich noch auf vielen Wertheraner Dachböden finden lässt - wenn man sich denn die Mühe macht, danach zu suchen.

Das Buch wurde 1920 bei Bertelsmann gedruckt, und zwar "Zum dankbaren Gedenken an unsere Gefallenen und Kriegsteilnehmer". Jeder dieser Kriegsteilnehmer, der diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts überlebt hatte, bekam ein Exemplar, so auch mein Urgroßvater in der väterlichen Linie, Hermann Schwentker.



Hermanns Exemplar habe ich hier bei mir, auch wenn es nicht mehr wirklich gut erhalten und in mehrere Teile auseinander gefallen ist (ich muss es wirklich unbedingt neu binden lassen!).
Ich weiß auch, dass das Exemplar meines anderen Wertheraner Urgroßvaters August Gehring  heute noch existiert und sicher in einem gut sortierten Bücherschrank steht.

Beide Urgroßväter sind auch im Buch selbst erwähnt - in der Lister der Kriegsteilnehmer. Man muss sich vorstellen, dass die eigentliche Stadt Werther kurz vor dem Krieg im Jahr 1910 nur 2183 Einwohner hatte (die Landgemeinden drumherum jetzt mal nicht mitgezählt), von denen dann immerhin 431 am Krieg teilnahmen. Es war also etwa ein Fünftel der Bevölkerung kriegsbedingt abwesend. Insgesamt hatte das Kirchspiel während der vier Jahre 1167 Kriegsteilnehmer zu verzeichnen, von denen am Ende 227 gefallen und 20 vermisst waren.

Dieses Buch zählt sie alle auf, mitsamt ihren Wohnadressen, Berufen, Kriegsdaten und Dienstgraden. Außerdem sind die Gefallenen zum Teil sehr ausführlich mit einem Lebenslauf, einem Foto und Auszügen aus ihrer Feldpost portraitiert, wenn auch diese vom jeweiligen Pfarrer verfassten Texte heute teilweise recht merkwürdig anmuten, wenn man bedenkt, dass der "heldenhafte Tod für das geliebte Vaterland" oft genug tatsächlich ein elendes Verrecken war. Dazu gibt es noch "Nachrichten aus dem Felde", in denen über Verwundungen und Beförderungen berichtet wurde.

Ich habe vor, hier im Blog im Laufe der Zeit die Teilnahmelisten einzustellen und vielleicht auch ein paar der anderen Informationen. Auch wenn man vielleicht nicht mit den einzelnen Personen verwandt ist und man damit rechnen kann, dass der schreibende Pastor mit Sicherheit nichts Schlechtes über seine verstorbenen Schäfchen sagen wollte: Dieses Buch liefert in seiner Gesamtheit ein relativ gutes Portrait einer Generation, die in einer Kleinstadt in der ostwestfälischen Provinz aufwuchs.

Mittwoch, 16. Juli 2014

War nix mit Ewigkeit oder: Ein paar Gedanken zu deutschen Friedhöfen

Wir sind ja ein kleines Land, zumindest, wenn wir die Quadratmeter- ins Verhältnis zur Einwohnerzahl setzen. Wahrscheinlich gehen wir deshalb mit unseren Friedhöfen so um, wie wir mit ihnen umgehen.

Ich bin ja nun ab und an mal in den USA, und ich stehe auch mit amerikanischen Familienforschern in Kontakt. Die wundern sich immer, wenn ich erwähne, dass es die Gräber meiner älteren Vorfahren einfach nicht mehr gibt. Sie selbst sind quasi auf "Gräberjagd", was daran liegt, dass es überall in den Staaten verteilt Unmengen von kleinen alten und auch wirklich schönen und verwunschenen Friedhöfen gibt. Kein Gedanke daran, ein Grab nach nur ein paar Jahrzehnten "einzuebnen" oder "plattzumachen".

Das fällt mir vor allem dann auf, wenn ich in Halle auf dem Friedhof bin. Seitdem meine beiden Großeltern dort 1986 bzw. 1991 begraben wurden, ist dort einiges passiert, zumindest in der Reihe, in der sich ihr Grab befindet: Die Hälfte davon ist einfach "verschwunden". Ganz böse könnte man sagen: "Die Reihen lichten sich". Und das sind Gräber, die noch nicht lange existiert haben. Menschen, die vor gerade einmal einer Generation beerdigt worden sind.

Diese Praxis stört mich nicht nur als Familienforscherin. Sondern auch darüber hinaus.

Man kann es aber nicht nur auf den vermeintlichen Platzmangel schieben. Wir reden hier schließlich nicht mehr von den engen Kirchhöfen mitten im Dorf, bei denen man erst mit einem langen Stab in der Erde stochern musste, um herauszufinden, wo man denn noch einen Sarg dazwischen quetschen konnte (kein böser Scherz, das war wirklich so). In Halle auf dem "neuen" Friedhof ist zum Beispiel wirklich noch ausreichend Platz...

Vielmehr denke ich, dass viele Angehörige sich die hohen Friedhofsgebühren nicht leisten können oder wollen. Gucken Sie sich doch mal die Gebühren Ihres örtlichen Friedhofs an: Da werden schnell schon mal viereinhalbtausend Euro für ein Doppelgrab fällig - im Voraus für die "Nutzungszeit". Es ist also kein Wunder, wenn viele davor zurückschrecken. Oder zurückschrecken müssen.

Schade.

Moment: Eine Ausnahme gibt es! Jüdische Friedhöfe sind für die Ewigkeit... 





Sonntag, 13. Juli 2014

Alles Liebe zum Geburtstag, Wilhelm Sickendiek!


Heute wäre er 100 Jahre alt geworden!

Ist schon lässig, wie er auf dem Motorrad sitzt, oder? Dabei war er völlig uneitel.

Das Foto ist kurz nach einem nicht ganz unerheblichen Unfall entstanden, den er gebaut hatte. Er fühlte sich nämlich - augenscheinlich! - nicht nur auf zwei Rädern ganz wohl, sondern auch auf vieren: Ich habe ihn jedenfalls auch als furchtlosen Autofahrer in Erinnerung, der sich auch von dem fiesesten Glatteis nicht abschrecken ließ... oder eben von Bäumen am Straßenrand in Klacks Kurve.

Obwohl man es von einem Mann, der 1914 in einem kleinen Dorf wie Hörste geboren worden ist, nicht wirklich erwartet: Er war schon auf seine Art und Weise modern. Er hat mir zum Beispiel nie gesagt: "Das kannst Du nicht, weil Du ein Mädchen bist!" Im Gegenteil. Ich erinnere mich noch gut, wie herrlich ich es fand, mit ihm auf dem Stapler über den Hof zu krajohlen. Ich glaube, ich habe heute vor einem Jahr schon erzählt, dass er auch derjenige war, der mich immer mit Panini-Bildern versorgt hat: Er hat mir sowohl die von Heidi und Sarah Kay als auch die der Bundesliga-Saison 1981/82 mitgebracht. Diejenigen, die heute auf eine geschlechtsneutrale Erziehung Wert legen, hätten schon damals ihre Freude an ihm gehabt. 

Das mag wahrscheinlich auch daran liegen, dass er sein ganzes Leben lang viel von Frauen umgeben war: Sein Vater fiel, als er gerade mal ein Jahr alt war, so dass er zunächst mit seiner Mutter und seiner zwei Jahre älteren Schwester allein lebte. Als seine Mutter später wieder heiratete, bekam er noch eine jüngere Schwester dazu. Als er 25 war, heiratete er während eines kurzen Fronturlaubs meine Oma Martha, und kurz nach Kriegsende bekamen die beiden dann eine Tochter - meine Mutter. Es erscheint eigentlich nur logisch, dass sein einziges Enkelkind auch ein Mädchen war...

Und ich bin froh, dass ich seine Enkelin sein durfte.






Donnerstag, 10. Juli 2014

Wie lernten sich Willy und Lina eigentlich kennen? oder: Die Geschichte von Linas Reise nach Berlin

Man kann es ja heute kaum glauben, aber es gab auch Zeiten, als sich die Menschen noch nicht über das Internet kennenlernten. Ich gehöre immer noch zu denen, die in der Tageszeitung die Berichte über die Goldenen Hochzeiten lesen, schon alleine, weil ich es immer gerne höre, wie sich die beiden denn damals überhaupt kennengelernt haben. Es sind teilweise schon unglaubliche Geschichten dabei.

Was ich nicht genau weiß ist, wie sich Willy Hauffe und Lina (eigentlich Caroline Wilhelmine) Ortmeyer kennengelernt haben, meine Urgroßeltern in der mütterlichen Linie. Wenn man sich die Grundkonstellation anguckt, dann sprach eigentlich nichts dafür, dass diese beiden, die immerhin 51 Jahre lang verheiratet waren, sich überhaupt über den Weg laufen würden. Welcher Zufall wohl da seine Hand im Spiel hatte?

Willy wurde am 27. Mai 1896 in Burg bei Magdeburg geboren. Um mir seine Stammfamilie mal ein bisschen genauer anzugucken, bin ich vor knapp zwei Jahren ja auch auf einen kleinen Forschungstrip gen Osten gefahren und habe einiges gefunden. Lina war ein knappes Jahr älter als er; sie war schon am 14. Juni 1895 in Halle-Oldendorf zur Welt gekommen. Zwischen diesen beiden Orten liegen immerhin ungefähr 270 Kilometer, und irgendwelche anderen Verbindungen zwischen Sachsen-Anhalt und Ostwestfalen kann ich in meinem Stammbaum auch nicht finden.

Nun kommt wieder die Familienlegende ins Spiel.

Nach dieser Legende war Willy im I. Weltkrieg "hier" - gemeint war wahrscheinlich Halle und Umgebung -, und zwar aus kriegstechnischen Gründen. "Hier" traf er dann auf Lina, mit dem Resultat, dass Lina von ihm schwanger wurde. Liebe in Zeiten des Krieges. 

Und weil Krieg war, blieb Willy auch nicht "hier", sondern wurde nach Berlin versetzt, und zwar vermutlich ohne zu wissen, dass er bald Vater werden würde. Lina stieg, schwanger wie sie war, in den Zug und fuhr nach Berlin, um Willy zu suchen.

Ich stelle mir das gerade vor: Knapp 23 Jahre alt, unverheiratet, aber dafür schwanger, und mitten in der Urkatastrophe auf dem Weg vom kleinen Halle mit seinen knapp 7.000 Einwohnern in die Großstadt Berlin mit rund zwei Millionen Menschen. Hauptstadt eines Kaiserreichs, das bald nicht mehr existieren wird.

Wenn die Geschichte stimmt (und ich konnte sie noch nicht verifizieren), dann war Linas Reise erfolgreich:
Am 4. September 1918 wurde jedenfalls in Halle geheiratet. Ungefähr sieben Wochen später kam dann Martha zur Welt - meine Oma. Diese letzten beiden Daten sind natürlich wieder belegt. Weitere drei Wochen später war der Krieg vorbei, und Willy und Lina blieben ihr ganzes weiteres Leben in Halle, wo sie 1969 bzw. 1970 im Abstand von gerade mal einem halben Jahr auch beide starben.


Wenn ich mich nicht irre, dann wurde dieses Foto zu ihrer Silberhochzeit aufgenommen. Lina ist in der Mitte, Willy steht rechts neben ihr. Und ja - Willy war kleiner als sie...

Schade, dass ich wahrscheinlich nie erfahren werde, wie Lina und Willy sich tatsächlich kennengerlernt haben. Die Familienlegende klingt ja nun schon fast wie ein historischer Roman... Leider sind inzwischen auch alle ihre Kinder nicht mehr am Leben, so dass ich niemanden mehr fragen kann. Falls jemand noch Ideen hat, zum Beispiel, wie ich herausfinden könnte, was Willy ausgerechnet ins beschauliche Ostwestfalen verschlagen hat - ich bin für jede Anregung dankbar!

Dienstag, 8. Juli 2014

"Mischehen" zwischen Katholiken und Protestanten im Altkreis Halle: Wenn die Kirche sich einmischte

Der Altkreis Halle (mit Halle, Werther, Versmold, Borgholzhausen und Steinhagen) war nicht gerade eine katholische Hochburg. Im Gegenteil - im Grunde konnte man die katholischen Familien in den Städten an einer Hand abzählen, und bis zum 19. Jahrhundert tauchen immer wieder dieselben Namen auf. Man findet sie alle im Kirchenbuch von Stockkämpen.

Ehepartner waren also Mangelware, zumindest, wenn sie auch katholisch sein sollten. Das führte dann auch dazu, dass die Zahl der "Mischehen" immer weiter zunahm. Viele Ehepartner werden dann als "acath." ("acatholicus" bzw. "acatholica") oder als "luth." im Kirchenbuch erwähnt. Phasenweise kommt in fast jedem zweiten Eintrag ein "acath." vor, auch bei den Taufpaten der Kinder.

Die katholische Kirche mischte sich dann auch in die Eheschließung selbst ein: Wo sollte man sich trauen lassen, in Stockkämpen oder in der protestantischen Kirche? Überflüssig zu sagen, dass die katholische Kirche natürlich die erste Variante vorzog...

In den 1860ern und -70ern zum Beispiel findet man zahlreiche Belege dafür. Die Trauungen sind zwar im katholischen Kirchenbuch eingetragen, aber ohne laufende Nummer. Stattdessen gibt es eine mehr oder wenige nette Bemerkung dazu:

"haben sich in Werther vom Prediger trauen lassen" 
 klingt ja noch neutral (aber ist "Prediger" eigentlich als Abwertung gegenüber "Pfarrer" gemeint?).

"haben sich trotz wiederholter Ermahnung von dem prot. Prediger zu Werther trauen lassen" 
klingt da schon um einiges brachialer. Man hat es augenscheinlich nicht bei einer "Ermahnung" belassen, zumindest nicht 1869 bei Johann Hermann Thoele (die Familie diente traditionell auf Brinke) und Henriette Dorothea Heermann (einer "acath." aus Rotenhagen).

Manchmal waren natürlich auch die - ortsabwesenden - protestantischen Schwiegereltern schuld, wenn sich die Schäfchen nicht in Stockkämpen, sondern in der protestantischen Ortskirche trauen ließen: Als Heinrich Carl Friedrich Apel, seines Zeichens Kutscher auf Steinhausen mit Eltern in Göttingen und ausdrücklich als "Protestant" bezeichnet) und Catharine Friederike Castrup aus Werther (ja, sie war katholisch) im Mai 1867 heiraten wollten, bekamen auch die Göttinger Schwiegereltern im Kirchenbuch von Stockkämpen ihren Platz: "haben sich durch die protestantischen Eltern genöthigt, trotz all diesseitiger Ermahnung, von dem protestantischen Prediger in Halle trauen lassen." 

Vielleicht haben sie ja auch einfach nur die protestantischen Eltern vorgeschoben, um endlich ihre Ruhe zu haben? Wer weiß...?