So wenig, wie ich mich hier im Blog in den letzten Wochen habe sehen lassen, könnte man doch glatt meinen, ich hätte die Familienforschung drangegeben. Aber weit gefehlt.. das Gegenteil ist der Fall. Es wird Zeit, dass ich mal wieder etwas darüber berichte, was ich so anstelle.
In den letzten Jahren habe ich mir angewöhnt, immer die Geburten des gerade freigegebenen Jahrgangs des standesamtlichen Geburtsregisters in Werthers Gedächtnis einzuarbeiten, am besten gleich zu Beginn des Jahres. Das klappt nicht immer so zügig, wie ich es mir wünschen würde, so zum Beispiel auch in diesem Jahr. Darf ich mir hier einmal die höfliche Kritik erlauben, dass ich es doof finde, dass das Wertheraner Stadtarchiv nur noch an drei Stunden in der Woche geöffnet ist, nämlich donnerstags von 09.00 bis 12.00 Uhr? Für Leute wie mich, die noch nicht im Rentenalter sind, ist das echt verflixt unpraktisch. Wenn dann auch noch der Archivar krankheits- oder urlaubsbedingt ausfällt - kann ja immer mal passieren -, dann rutschen manche Sachen halt zeitlich nach hinten. Und so war es dann auch mit "meinen" Geburten von 1914.
Unsere zukünftigen Forscher müssen sich da übrigens keine Sorgen machen: 2024 wurde in Werther nicht ein einziges Kind geboren. Null. Zero. Das berichtete zumindest das Westfalen Blatt. Es wurden zwar Kinder geboren, die in Werther wohnen, aber die Geburt fand halt woanders statt. Irgendwie traurig.
1914 war das noch anders.
Da kamen immerhin noch 136 kleine Wertheraner und Wertheranerinnen im Amt Werther auf die Welt. Auch nur noch halb soviele wie in den geburtenstärksten Jahrgängen, aber immerhin.
Die Jungs waren in der Überzahl: Das Verhältnis lag bei 70 zu 66. Es gab ein Zwillingspärchen, alle anderen waren Einzelgeburten. Totgeburten waren nicht verzeichnet, aber ich habe noch nicht gegengecheckt, ob es nicht doch welche gegeben hat.
Spannend finde ich ja immer die Vornamen. Schade, dass man nie weiß, welcher bei den Doppel-, Dreifach- oder Vierfachnamen der Rufname war.
An erster Stelle bei den Jungs ist eigentlich alles wie immer. Wilhelm (30 Mal) vor Heinrich (21) vor Hermann (19). Dann folgen Friedrich (13), Gustav und August (je 11), Paul (7), Peter (6), Fritz (5), Erich, Johannes, Karl, Ewald, Walter (je 3), Julius, Ernst, Gerhard, Rudolf, Artur und Adolf (je 2). Außerdem gab es noch je einen Werner, Emil, Bernhard, Hugo, Otto, Christian, Dietrich, Hans, Kaspar, und Siegfried. Interessant finde ich, dass die Johanns nun ganz verschwunden sind, stattdessen findet man halt Johannes oder Hans. Richtig modern für Wertheraner Verhältnisse war auch Fritz - ich denke mal, dass sich diverse Eltern gedacht haben, dass aus ihrem Friedrich sowieso ein Fritz gemacht werden würde, so dass sie den Lütten auch gleich so nennen konnten. Insgesamt gab es bei 70 Jungen immerhin 30 verschiedene Vornamen.
Bei den Mädchen waren die Eltern auch 1914 wieder etwas kreativer. Allzu viel hat sich aber auch bei ihnen im Vergleich zu den Vorjahren nicht geändert. Marie (17) vor Johanne und Anna (beide 14) und Auguste und Frida (je 10). Auf den Plätzen folgen Martha (9), Luise (8), Erna (7), Elfriede und Herta (5), Wilhelmine, Maria, Elisabeth, Magdalene, Emma (4), Charlotte, Else und Lina (3), Paula, Margarethe, Minna, Alwine, Helene und Katharine (2). Je einmal kamen eine Franziska, Johanna, Erika, Friederike, Henriette, Sophie, Hilde, Elli, Juliane, Alma, Gertrud, Hildegard, Ida und Emmi zur Welt. Wer wollte, dass seine Tochter wusste, dass sie gemeint war, wenn man sie rief, nannte sie also Gertrud oder Hildegard...
Okay, bei denen Namen gab es also nicht wirklich etwas Besonderes.
Dafür war etwas anderes im Umbruch: Während im ersten halben Jahr in den allermeisten Fällen die stolzen Väter beim Amtmann erschienen, um die Geburt des Nachwuchses offziell zu machen, waren es danach immer öfter die Hebammen, die diese Aufgabe übernahmen. Kein Wunder, viele Väter waren ja "verhindert", wenn man es harmloser ausdrücken wollte, als es eigentlich war. Auch, wenn die Kriegsbegeisterung in den ersten Monaten ja angeblich so groß gewesen sein soll ("bald sind wir wieder zu Hause!"), so wären die meisten frisch gebackenen Väter wahrscheinlich lieber zu Hause bei Frau und Kind geblieben, wenn man sie im Vertrauen gefragt hätte. Ist jetzt mal meine Vermutung. Aber wenn der Kaiser rief und sich alle vor Nationalismus quasi überschlugen...
Und dieser Jahrgang war dann auch der erste, den es in dem Sinne doppelt übel getroffen hat: Während des Ersten Weltkriegs geboren und dann den Zweiten Weltkrieg umso intensiver miterlebt. Auch hier habe ich erschreckend viele Randvermerke gefunden, dass sie ihn nicht überlebt haben. Ich weiß immer nie, ob mich diese Randvermerke traurig oder einfach nur wütend machen. Vor allem in Zeiten, in denen wir zwangsweise wieder über "Kriegstüchtigkeit" diskutieren müssen.
In diesem Sinne bin ich ja schon auf den Jahrgang 1915 gespannt: Werden dann auch wieder so viele Eltern ihren Sohn "Wilhelm" nennen, oder nimmt dann schon eher davon Abstand? Spontan würde ich ja sagen, dass der Name eher nicht verschwinden wird - das Kind heißt dann halt nur noch wie Opa und nicht zufällig auch noch wie der Kaiser. Ich tippe mal, dass man erst so ab 1919 eine wirkliche Veränderung finden wird... aber da muss ich wohl noch ein paar Jahre warten, bis ich eine Antwort auf diese Frage bekomme.