Donnerstag, 8. Mai 2025

Willys Zweiter Weltkrieg

Einer der Punkte auf meiner To-Do-Liste für dieses Jahr war ja, die Meldekartei für Halle durchzugucken. Und diesen Punkt konnte ich inzwischen zumindest teilweise abhaken, denn ich habe diverse meiner Verwandten dort gefunden, und das auch noch teilweise mit einigen Überraschungen verbunden.  

Die Haller Meldekartei friert quasi den Wohnungsbestand im Jahr 1953 ein. Nach Ortsteilen und dann Straßen, und dann innerhalb der Straßen nach Hausnummern, findet sich für jeden Haushalt eine Karteikarte. Auf dieser Karte ist dann die Meldehistorie aufgelistet.

Meinen Urgroßvater Willy Hauffe und seine Frau Lina Ortmeyer gehörten zu den ersten, die ich gefunden habe, und zwar in Oldendorf Nr. 61

Die Karteikarte beginnt mit dem 04.02.1918. Damals meldete sich Willy vom "Militär" kommend in Oldendorf Nr. 61 an, als Lina dort schon (zusammen mit ihren Eltern) wohnte. Das war wohlgemerkt immerhin sieben Monate vor ihrer Hochzeit... und noch ein Dreivierteljahr vor dem Ende des Ersten Weltkriegs.

Ich hatte mich ja schon immer gefragt, wie lange Willy denn nun schon in Halle war. Die Familienlegende besagte, er wäre hier in Halle als Soldat untergebracht gewesen, hätte dabei Lina kennengelernt, und als die merkte, dass sich meine Großmutter Martha ankündigte, hätte sie ihn quasi aus Berlin zurückholen müssen, damit gerade noch vor der Geburt dieses ersten Kindes geheiratet werden konnte. Der Artikel zur Goldenen Hochzeit im Haller Kreisblatt vom 04.09.1968 erwähnt dann, dass Willy schon 1916 "im Kreis Halle" gewesen sein soll, was rechnerisch nicht so ganz mit der Geschichte von der stürmischen Romanze zusammenpasst, denn dann wäre es Anfang 1918, also Oma Martha entstanden sein muss, schon eine längere Beziehung gewesen, auch wenn man sich kriegsbedingt wohl zwischendurch nicht sehen konnte. 

Offiziell mit Wohnsitz gemeldet war Willy in Halle also im Februar 1918. Damit hatte er seine Soldatenzeit hinter sich gebracht. 

Hätte man meinen können.  

Ist ein Krieg nicht genug? 

Für den Zeitraum vom 18.04.1919 bis zum 04.03.1920, also rund zwei Jahre, ist Willy wieder beim "Militär". Genauer gibt es die Karteikarte leider nicht her. Dafür habe ich nun aber die Erklärung gefunden, weshalb es so lange dauerte, bis Martha ein Geschwisterchen bekam. Ist halt schwierig, wenn der Mann nicht da ist. 

1935 zog die inzwischen gewachsene Familie dann von Halle nach Gartnisch, das inzwischen ja längst eingemeindet wurde. Von Gartnisch aus hat sich Willy dann wieder abgemeldet, nur, dass kein konkretes Datum angegeben ist, sondern ein 

?. 

Und wo war Willy abgeblieben?  

Bei der Wehrmacht. Ja, er ist nochmal gezogen worden

Rechnen wir mal.

Willy war am 27.05.1896 in Burg geboren worden, also war er bei Beginn des II. Weltkrieges 43 Jahre alt. Hat er da wohl schon geahnt, dass er nochmal Uniform tragen würde? Als Vater von einem halben Dutzend Kinder? 

Vielleicht. Vielleicht hat er sich aber auch von den "Erfolgen" der Wehrmacht blenden lassen und gedacht, das ginge alles so weiter. Ich habe das Wort "Erfolge" hier in Anführungsstriche gesetzt, weil man es aus heutiger Sicht wohl kaum einen Erfolg nennen kann, wenn man in einem Angriffskrieg halb Europa überrennt. 

Am 8. Mai 1945, also heute vor 80 Jahren, war Willy dann 48 Jahre alt. Drei Jahre jünger, als ich jetzt bin (was erschreckend genug ist). Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass er sich wesentlich älter gefühlt haben muss. Wer zwei Weltkriege mit eigenen Augen sieht... 

Wo genau Willy eingesetzt war, ist noch ein Rätsel. Auch, wann genau er zum Volkssturm - denn der musste es ja sein - gezogen wurde.  

Als Arbeiter gehörte er wahrscheinlich zum Aufgebot I, das alle "tauglichen und waffenfähigen Männer" der Jahrgänge 1884 bis 1924 umfasste. So ein Volkssturmbataillon des Aufgebots I konnte auch außerhalb des "Heimatgaus" eingesetzt werden, und zwar bis zu sechs Wochen lang, wie mir wikipedia erklärt. Was ich nicht erkennen kann ist, ob man nur einmal eingezogen werden konnte oder ob man eventuell auch mehrmals antreten musste, wenn man denn die ersten sechs Wochen überlebt hatte. Hauptsächlich wurden diese Volkssturmbataillone in Richtung Osten eingesetzt, weil es seit ihrer Bildung im Herbst 1944 relativ wenig Sinn machte, sie gen Westen zu schicken, weil die Amerikaner im September 1944 ja schon die Grenze bei Aachen überschritten hatten. Das grenzt auch zeitlich etwas ein, wann Willy abkommandiert wurde. Dass auf der Karteikarte nur ein Fragezeichen zu finden ist, spricht eigentlich dafür, dass es relativ spät war oder zumindest doch zu einem Zeitpunkt, als die Bürokratie schon nicht mehr so 100%ig funktionierte. Und das will ja schon weiß heißen, damals wie heute. 

Am 13.06.45 meldete sich Willy wieder in Gartnisch Nr. 51 an. Damit hatte er auch seinen Zweiten Weltkrieg überstanden. 

Dass Willy nochmal gezogen werden konnte, hatte ich bislang gar nicht so auf dem Schirm gehabt, obwohl ich es eigentlich auf dem Schirm hätte haben müssen. Trotzdem, als ich da in Halle im Archiv saß und auf diese Karteikarte starrte, dachte ich nur, "Ach du Sch...". Der zweite Gedanke ging direkt zu Oma Martha, die damals in dieser für mich unvorstellbaren Situation war, dass nicht nur ihr Mann eingezogen war, sondern auch ihr Vater. 

Beide sind zurückgekommen.  

Samstag, 3. Mai 2025

Frühlingsgefühle und deren Auswirkungen

Jetzt, wo es wärmer wird, die Sonne öfter mal hinter den Wolken auftaucht und die Tage wieder länger werden, packt es mich. Es muss frische Luft ins Haus, und der Staub, den Herbst und Winter hinterlassen haben, muss raus. Sei es der gefühlte, sei es der tatsächlich vorhandene. 

Vor ein paar Tagen stand ich vor meinem doch etwas größeren Bücherregal in einer eher dunklen Ecke des Wohnzimmers. Ungefähr 1,50 Meter breit, knapp 1,80 Meter hoch. Wir haben im Wohnzimmer halt ziemlich niedrige Decken. Ich war auf der Suche nach einem ganz bestimmten Buch, von dem ich wusste, dass es irgendwo in diesem Regal stehen musste. Ich hatte es ja erst vor knapp einem Jahr gekauft und erstmal "zwischengeparkt". Und ja, ich lese tatsächlich noch Bücher in Papierform. Nicht immer, aber immerhin.

Wie sich dann herausstellte, hatte ich dieses Buch so dermaßen gut zwischengeparkt, dass ich vor dem völlig vollgestopften Regal stand wie der sprichwörtliche Ochs vorm Berge und dieses verflixte Buch nirgendwo zu sehen war. Nur die Überzeugung, dass mein Gedächtnis mich bei Büchern im Normalfall nicht trügt, hielt mich aufrecht. 

Abbildung ähnlich :-). Quelle: prettysleepy bei pixabay.com.
  

Das war dann der Punkt, an dem es mir reichte. Aber so richtig. 

Ein "Schnauze-voll"-Moment.

Ich bin ziemlich rabiat an die ganze Sache rangegangen. Eine große Hilfe war dabei die Erkenntnis, dass viele der Veröffentlichungen des Historischen Vereins der Grafschaft Ravensberg, die sich überall auf den verschiedensten Regalbrettern tummelten, inzwischen online verfügbar sind, und zwar auf der Seite des Stadtarchivs Bielefeld. Alles bis einschließlich 2020(!) kann ich mir also bequem auf den Bildschirm ziehen, ohne dass das ich eine Papierversion entstauben müsste. Das gilt sowohl für die Jahresberichte als auch für die Ravensberger Blätter. Die nehmen als DIN/A 5-Heftchen zwar nicht allzu viel Platz weg, aber mein Problem war, dass sie halt überall in dieser Regalwand verteilt waren zwischen historischen Abhandlungen und Romanen, dem einen oder anderen Krimi - hauptsächlich französisch, englisch oder skandinavisch - und vor allem zwischen zig anderen DIN/A 5-Heftchen, denn ich habe die Angewohnheit, mich gerne in Museen etc. mit Material einzudecken, damit auch ja nicht vergesse, was ich alles schon gesehen habe. Dann kommen noch ein paar Reiseführer dazu, ein paar Fachbücher über Reptilien und Amphibien (mit einem Schwerpunkt auf Schildkröten), und ein paar Bildbände zu Im- und Expressionismus, Bauhaus, ... im Grunde viel zu viel Zeugs für so eine kleine Ecke. 

Viel zu tun also. 

Die Entfernung der Jahresberichte hat mir wirklich Luft verschafft und viel ausgemacht. Ein paar uralte Krimis in Taschenbuchversion, von denen ich schon vor zehn Jahren eher halbherzig davon ausgegangen bin, dass ich sie bestimmt nochmal irgendwann lesen würde und die ich seitdem nicht mehr angerührt habe, flogen hinterher. Gut, dass mein Papierkorb oben stabil ist. Es hätte wohl nichts gebracht, die Sachen zu verschenken, denn die, die sich für die Sachen des Historischen Vereins interessieren könnten, haben sie wahrscheinlich selbst im Regal. Oder sie waren mit dem Ausmisten schneller als ich und gucken sich alles online an. Der Rest war einfach uppe; den hätte ich noch nichtmal mehr in die Büchertelefonzelle auf dem Venghaussplatz gestellt. 

Bin ich nun mit dem Regal durch? 

Nein. 

Erstens ist das Frühjahr noch nicht vorbei. Zweitens greift dieses "Weg damit, und zwar jetzt"-Gefühl auch auf andere Lebensbereiche über. Meine Forschungs-Zettelsammlung zum Beispiel. Und sogar auf Dinge, die noch nichtmal aus Papier sind. Erstaunlich. Und das alles nur, weil es draußen länger hell ist und ich ein bestimmtes Buch nicht finden konnte.

Ich habe es übrigens gefunden. An Tag drei. In der linken Hälfte des rechten Regaldrittels auf dem dritten Boden von unten. Hätte eigentlich direkt drauf kommen können. Es war übrigens "Freiheit, Rausch und schwarze Katzen - Eine Geschichte der Bohème" von Andreas Schwab. Das Suchen hat sich gelohnt. Und die Sonderveröffentlichungen des Historischen Vereins dürfen auch bleiben. Die sind nämlich noch nicht online.

Mein Problem ist nun, dass die Papiertonne voll ist und erst in knapp zwei Wochen abgeholt wird. Irgendwas ist halt immer

Samstag, 19. April 2025

Die K-Frage... (und sie hat nichts mit Politik zu tun)

Ostwestfalen war im 19. Jahrhundert ja nun nicht unbedingt eins der Zentren der medizinischen Forschung. So richtig viel hat sich seitdem nicht geändert; wenn ich mich gerade richtig erinnere, ist die Medizinische Fakultät der Uni Bielefeld gerade im Aufbau. Dennoch: Ich stelle fest, dass man offensichtlich auch schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mitten auf dem platten Lande (nicht topografisch, sondern metaphorisch gemeint) schon Krebs diagnostizieren konnte. 

Ich kann jetzt nicht genau sagen, wann mir Krebs als Todesursache zum ersten Mal begegnet ist, aber ich habe ihn zum Beispiel in einem Eintrag aus dem Mai 1838 gefunden, als der Neubauer Johann Wilhelm Spilker aus Rotenhagen 25 am 10.05.1838 an einem "Krebsschaden" starb. Also in einer Zeit, als man von Anästhesie, Röntgen, Bestrahlung, Chemo, CT, MRT oder anderen medizinischen Errungenschaften hier nur träumen konnte. 

Mein Gedanke ist nun folgender:  

Die meisten Krebse kann man ja nun von außen nicht erkennen, wenn man vielleicht mal von Hautkrebs absieht. War das bei Neubauer Spilker also nur ein Zufallstreffer? 

Welche Methoden der Diagnose hatten die Ärzte damals zur Verfügung? Ein "Wir schicken mal Ihre Blutprobe ein und gucken, was dabei rauskommt" gab es ja noch nicht. Sogar das AB0-System, nach dem wir heute noch die Blutgruppen definieren, wurde erst 1900 entdeckt. Wenn also nicht gerade eine Epidemie herumging, jemand sich die Lunge aus dem Hals hustete, im Kindbett starb oder er/sie einen Unfall gehabt hatte - wie konnte man dann Krankheiten wie Krebs diagnostizieren? 

Ich nehme an, die Diagnose-Genauigkeit war nicht allzu hoch...  

Montag, 7. April 2025

Eine Nachlese zum Westfälischen Genealogentag in Altenberge

... steht beim Arbeitskreis Genealogie Steinhagen am 

Samstag, 12. April 2025, um 14.30 Uhr in der Alten Feuerwehr in Steinhagen-Amshausen 

auf dem Programm.  

Wird schön werden, die Leute zu treffen, die ich in Altenberge nicht gesehen habe, weil ich allen Ernstes keine Lust hatte, mir einen Parkplatz in zwei Kilometern Entfernung zu suchen :-) 

Spass beiseite, nein, ich war tatsächlich nicht in Altenberge vor Ort, aber ich habe es ausgenutzt, dass die Vorträge online stattfanden. Und die haben mich doch tatsächlich ein ganz schönes Stück weitergebracht... ich berichte demnächst mal davon. Vielleicht schon Samstag ;-)

Sonntag, 6. April 2025

Die Wertheraner Kinder des Jahrgangs 1914

So wenig, wie ich mich hier im Blog in den letzten Wochen habe sehen lassen, könnte man doch glatt meinen, ich hätte die Familienforschung drangegeben. Aber weit gefehlt.. das Gegenteil ist der Fall. Es wird Zeit, dass ich mal wieder etwas darüber berichte, was ich so anstelle.

In den letzten Jahren habe ich mir angewöhnt, immer die Geburten des gerade freigegebenen Jahrgangs des standesamtlichen Geburtsregisters in Werthers Gedächtnis einzuarbeiten, am besten gleich zu Beginn des Jahres. Das klappt nicht immer so zügig, wie ich es mir wünschen würde, so zum Beispiel auch in diesem Jahr. Darf ich mir hier einmal die höfliche Kritik erlauben, dass ich es doof finde, dass das Wertheraner Stadtarchiv nur noch an drei Stunden in der Woche geöffnet ist, nämlich donnerstags von 09.00 bis 12.00 Uhr? Für Leute wie mich, die noch nicht im Rentenalter sind, ist das echt verflixt unpraktisch. Wenn dann auch noch der Archivar krankheits- oder urlaubsbedingt ausfällt - kann ja immer mal passieren -, dann rutschen manche Sachen halt zeitlich nach hinten. Und so war es dann auch mit "meinen" Geburten von 1914. 

Unsere zukünftigen Forscher müssen sich da übrigens keine Sorgen machen: 2024 wurde in Werther nicht ein einziges Kind geboren. Null. Zero. Das berichtete zumindest das Westfalen Blatt. Es wurden zwar Kinder geboren, die in Werther wohnen, aber die Geburt fand halt woanders statt. Irgendwie traurig.  

1914 war das noch anders. 

Da kamen immerhin noch 136 kleine Wertheraner und Wertheranerinnen im Amt Werther auf die Welt. Auch nur noch halb soviele wie in den geburtenstärksten Jahrgängen, aber immerhin. 

Die Jungs waren in der Überzahl: Das Verhältnis lag bei 70 zu 66. Es gab ein Zwillingspärchen, alle anderen waren Einzelgeburten. Totgeburten waren nicht verzeichnet, aber ich habe noch nicht gegengecheckt, ob es nicht doch welche gegeben hat. 

Spannend finde ich ja immer die Vornamen. Schade, dass man nie weiß, welcher bei den Doppel-, Dreifach- oder Vierfachnamen der Rufname war.

An erster Stelle bei den Jungs ist eigentlich alles wie immer. Wilhelm (30 Mal) vor Heinrich (21) vor Hermann (19).  Dann folgen Friedrich (13), Gustav und August (je 11), Paul (7), Peter (6), Fritz (5), Erich, Johannes, Karl, Ewald, Walter (je 3), Julius, Ernst, Gerhard, Rudolf, Artur und Adolf (je 2). Außerdem gab es noch je einen Werner, Emil, Bernhard, Hugo, Otto, Christian, Dietrich, Hans, Kaspar, und Siegfried. Interessant finde ich, dass die Johanns nun ganz verschwunden sind, stattdessen findet man halt Johannes oder Hans. Richtig modern für Wertheraner Verhältnisse war auch Fritz - ich denke mal, dass sich diverse Eltern gedacht haben, dass aus ihrem Friedrich sowieso ein Fritz gemacht werden würde, so dass sie den Lütten auch gleich so nennen konnten. Insgesamt gab es bei 70 Jungen immerhin 30 verschiedene Vornamen. 

Bei den Mädchen waren die Eltern auch 1914 wieder etwas kreativer. Allzu viel hat sich aber auch bei ihnen im Vergleich zu den Vorjahren nicht geändert. Marie (17) vor Johanne und Anna (beide 14) und Auguste und Frida (je 10). Auf den Plätzen folgen Martha (9), Luise (8), Erna (7), Elfriede und Herta (5), Wilhelmine, Maria, Elisabeth, Magdalene, Emma (4), Charlotte, Else und Lina (3), Paula, Margarethe, Minna, Alwine, Helene und Katharine (2). Je einmal kamen eine Franziska, Johanna, Erika, Friederike, Henriette, Sophie, Hilde, Elli, Juliane, Alma, Gertrud, Hildegard, Ida und Emmi zur Welt.  Wer wollte, dass seine Tochter wusste, dass sie gemeint war, wenn man sie rief, nannte sie also Gertrud oder Hildegard...

Okay, bei denen Namen gab es also nicht wirklich etwas Besonderes. 

Dafür war etwas anderes im Umbruch: Während im ersten halben Jahr in den allermeisten Fällen die stolzen Väter beim Amtmann erschienen, um die Geburt des Nachwuchses offziell zu machen, waren es danach immer öfter die Hebammen, die diese Aufgabe übernahmen. Kein Wunder, viele Väter waren ja "verhindert", wenn man es harmloser ausdrücken wollte, als es eigentlich war. Auch, wenn die Kriegsbegeisterung in den ersten Monaten ja angeblich so groß gewesen sein soll ("bald sind wir wieder zu Hause!"), so wären die meisten frisch gebackenen Väter wahrscheinlich lieber zu Hause bei Frau und Kind geblieben, wenn man sie im Vertrauen gefragt hätte. Ist jetzt mal meine Vermutung. Aber wenn der Kaiser rief und sich alle vor Nationalismus quasi überschlugen...

Und dieser Jahrgang war dann auch der erste, den es in dem Sinne doppelt übel getroffen hat: Während des Ersten Weltkriegs geboren und dann den Zweiten Weltkrieg umso intensiver miterlebt. Auch hier habe ich erschreckend viele Randvermerke gefunden, dass sie ihn nicht überlebt haben. Ich weiß immer nie, ob mich diese Randvermerke traurig oder einfach nur wütend machen. Vor allem in Zeiten, in denen wir zwangsweise wieder über "Kriegstüchtigkeit" diskutieren müssen.

In diesem Sinne bin ich ja schon auf den Jahrgang 1915 gespannt: Werden dann auch wieder so viele Eltern ihren Sohn "Wilhelm" nennen, oder nimmt dann schon eher davon Abstand? Spontan würde ich ja sagen, dass der Name eher nicht verschwinden wird - das Kind heißt dann halt nur noch wie Opa und nicht zufällig auch noch wie der Kaiser. Ich tippe mal, dass man erst so ab 1919 eine wirkliche Veränderung finden wird... aber da muss ich wohl noch ein paar Jahre warten, bis ich eine Antwort auf diese Frage bekomme.