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Freitag, 14. Januar 2022

Wilhelm und Caroline Ahlemeyer

Über meine Urgroßmutter Johanne Marie Catharine Sickendiek geb. Ahlemeyer habe ich hier im Blog schon einmal geschrieben, aber mit ihrer Ursprungsfamilie habe ich mich hier noch nicht auseinander gesetzt. Es wird also Zeit, das nachzuholen.

Johanne war das siebte Kind ihrer Eltern Friedrich Wilhelm Ahlemeyer (Wilhelm war auch sein Rufname) und Katharine Caroline Schulze. Ich behalte der Einfachheit halber hier die Schreibweise mit H und Y bei, denn den Namen habe ich in zig verschiedenen Schreibweisen gefunden: Ahlemeier, Alemeier, Alemeyer, ... wie das halt so ist bei Namen, in denen ein stimmloses H vorkommt (oder eben auch nicht) und die dann auch noch auf -meyer enden. Die Kombinationsmöglichkeiten sind vielfältig, und dafür, dass die Ostwestfalen eigentlich nicht sehr viele Worte brauchen, sind sie aber ziemlich gut darin, zusätzliche Buchstaben in eben diesen Worten unterzubringen, auch wenn sie mitnichten beabsichtigen, diese Buchstaben auch auszusprechen... 

Ironischerweise beginnt Wilhelms Geschichte kirchenbuchtechnisch aber gar nicht in Ostwestfalen, sondern nur ein paar Meter weiter hinter der Grenze, in Dissen: Wilhelm wird am 14.09.1843 in Kleekamp Nr. 4 geboren. Kleekamp gehört heute zu Borgholzhausen, aber Wilhelms Taufeintrag finde ich im Kirchenbuch von Dissen, das ja nun heute in Niedersachsen liegt. Anscheinend gehörte Kleekamp zumindest damals zum Kirchenkreis Georgsmarienhütte. Keine Ahnung, ob das heute auch noch so ist, aber für meine Forschungen ist das wahrscheinlich auch nicht wichtig, denn Wilhelm war der einzige aus seiner Familie, der in Kleekamp geboren wurde. Wenn die Eltern Heuerlinge sind, dann kann die Familie halt schon mal den Ort wechseln. 1847 finde ich die Familie in Hörste, spätestens ab 1879 wohnte und arbeitete man in Ascheloh Nr. 8

Genau dort finde ich Wilhelm auch zum Zeitpunkt seiner Heirat am 07.04.1872: An diesem Tag heiratet er Katharine Caroline (Caroline war wohl ihr Rufname) Schulze. Sie war am 28.02.1846 in Ascheloh Nr. 22 geboren worden und mit ihren 26 Jahren ungefähr zweieinhalb Jahre jünger als ihr Gatte. Zu Weihnachten 1872, also ungefähr 38einhalb Wochen nach der Hochzeit, waren die Ahlemeyers dann zu dritt, denn am 25.12.1872 wird ihr erstes Kind geboren, Heinrich August. Da wohnen Wilhelm und Caroline schon in Oldendorf Nr. 8. Auch ihre weiteren Kinder werden dort geboren, und zwar 

- Catherine Marie Wilhelmine am 13.09.1874, 

- Anna Wilhelmine Johanne am 02.04.1877, 

- Wilhelmine Catharine am 12.03.1880, 

- Heinrich Wilhelm am 16.07.1882, 

- Anna Auguste am 18.06.1884 

 und eben meine Urgroßmutter, 

- Johanne Marie Catharine am 26.09.1886. 

Catherine Marie Wilhemine und Wilhelmine Catharine ähnelten sich nicht nur vom Namen her, sondern auch vom Lebensmittelpunkt: Sie sind beide nicht in Halle geblieben, sondern haben beide Männer aus Werther geheiratet. Und mit dieser Erkenntnis stellte sich auch heraus, dass mein Opa Wilhelm diverse Cousins in Werther hatte. Da war sogar meine Mutter ein wenig überrascht, denn zumindest bei manchen von ihnen war ihr zwar immer klar gewesen, dass sie "irgendwie um ein paar Ecken" verwandt waren, aber dass die Verwandtschaft so eng war, wusste sie auch nicht. Das beruhte übrigens auf Gegenseitigkeit :-) 

Anna Auguste dagegen kam gar nicht dazu, sich über eine Eheschließung auch nur ernsthafte Gedanken zu machen, denn im August 1889, also mit gerade einmal fünf Jahren, erkrankte sie an der Brechruhr und starb am 09.08.1889. Was hieß das eigentlich konkret? In Herders Conversations-Lexikon von 1854 findet sich die folgende Erläuterung: 

Brechruhr, Brechdurchfall (Cholera), ist eine stürmisch und schnell verlaufende Krankheit, die mit heftigen und sehr häufigen wässerigen Ausleerungen nach oben und unten, und baldigem Sinken der Kräfte auftritt. Sie erscheint in 2 Formen, einmal endemisch u. in großer. mörderischer Verbreitung, als die bekannte und gefürchtete Cholera asiatica (s. d. Art.), sodann sporadisch oder in kleineren Epidemien, als Cholera nostras, europ. Cholera. Die letztere, vorzugsweise B. genannt, ist häufig bei uns, besonders in warmen Sommern. Meistens ohne Vorboten stellen sich sogleich heftige u. schnell sich wiederholende Ausleerungen durch Brechen und Stuhl ein. von Druck und Schmerz in der Herzgrube begleitet. Anfangs ist es noch der Inhalt des Magens mit Galle, nachher aber wässerige, schleimige Flüssigkeit. Dazu kommen starker Durst. und bald Verfallen des Gesichts, Blässe und Kälte der Haut. kalte Schweiße, Angst, Krämpfe und Ohnmachten. Richtig und bald behandelt geht die europ. Cholera, so stürmend und drohend sie auch auftritt. meist in Genesung über, oft schon am 1. oder 2. Tage, unter kritischem Schweiß und Harn; kann aber bei Versäumniß der rechten Hilfe auch schnell tödtlich werden. Die Behandlung geschieht theils durch äußere Mittel. trockene warme Ueberschläge, aromatische Kräuterkissen, Einreibungen von Kampferliniment mit Opiumtinktur, Vesicantien; theils innerlich, und hier ist Hauptmittel Opium, dann aromatische Wasser, Emulsionen, Brausepulver, Brechwurz in kleinen Gaben."

Man kann sich also nur ungefähr vorstellen, wie es für Wilhelm und Caroline gewesen sein muss, diese Symptome bei ihrer kleinen Tochter mit ansehen zu müssen, ohne ihr wirklich helfen zu können. Gleichzeitig mussten sie auch Angst haben, dass die anderen Kinder auch erkranken würden, was aber wohl nicht passierte. Ich frage mich, wie sie das damals gelöst haben. Haben sie die anderen in Quarantäne geschickt, und wenn ja, wo? (An dieser Frage erkennt man die Zeit, in der wir gerade leben.) 

Die beiden Jungs, Heinrich August und Heinrich Wilhelm, blieben in Halle, und wurden Cigarrenarbeiter respektive Heuerling. Heinrich Wilhelm stirbt 1927, mit gerade einmal 44 Jahren. Aus heutiger Sicht auch viel zu früh. Heinrich Augusts Sterbeeintrag habe ich bis heute noch nicht gefunden. 

Caroline stirbt am 10.01.1918 und wird am 16.01.1918 in Halle beerdigt. Wilhelm folgt ihr am 11.11.1921. In seinem Sterbeeintrag wird er als Invalide bezeichnet, aber er ist immerhin 78 Jahre alt geworden. 

Dienstag, 21. September 2021

Schande über Schande

Im 17. Jahrhundert waren die Herren Pastoren ja verflixt schnell darin, über Frauen zu urteilen, die uneheliche Kinder bekommen hatten. Da war man mit dem Begriff "Hurkind" ziemlich schnell dabei, auch im Wertheraner Kirchenbuch. Gleichzeitig ist man heute froh, wenn überhaupt nicht nur der Name des Kindes, sondern auch die Namen der Eltern angegeben sind. Selbstverständlich ist das nämlich nicht. Heute sitze ich hier und denke, "Klar, beim Urteilen seid Ihr schnell dabei gewesen, aber hättet Ihr nicht auch Euren Job ordentlich machen und das Kirchenbuch vernünftig führen können?" 

Gut, das ist nun aus der Perspektive einer berufstätigen Frau im 21. Jahrhundert gedacht, die keine Probleme damit hat, wenn jemand sie Feministin nennt, und die 20 Jahre lang mit ein und demselben Mann zusammengelebt hat, bevor sie ihn geheiratet hat... 

Trotzdem.

Im Jahr 1684 habe ich einen Eintrag gefunden, der sehr wohl alle Namen beinhaltet: 


7. den 21 january Wilm Hörman und Trine Marike 
Hörmans zweyer Brüder Kinder ein Hurkind 
taufen laßen genant Trine Marike. 

Da hatten also Cousin und Cousine 1. Grades ein Kind gezeugt, und nein, verheiratet waren die beiden auch nicht. Welcher dieser beiden Umstände war eigentlich schlimmer? Von Genetik hatte man damals ja noch nicht so viel Ahnung...  Die pastorale Meinung wurde dennoch deutlich Kund getan:

"Schande über Schande." 

Das war deutlich.

Ich weiß noch nicht, um welche Hörmanns es sich da gehandelt hat. Das hier sind jetzt Zeiten, in denen man froh ist, wenn man eine Kernfamilie überhaupt zusammen gepuzzelt bekommt. Aber das wäre ja auch zu einfach gewesen... 

Natürlich hatten die Hörmanns hier das Problem, dass alle den gleichen Nachnamen trugen und die Familienverhältnisse deshalb sehr offensichtlich waren. Es würde mich auch nicht wundern, wenn alle auf einem Hof gelebt hätten.

In meiner Familie ist die Sache etwas "dezenter" aufgelaufen, um genauer zu sein, im Fall meiner Ur-Urgroßmutter Katharine Karoline Schulze, die am 28.02.1846 in Ascheloh 22 zur Welt gekommen ist: Auch ihre Eltern waren Cousin und Cousine ersten Grades. Ihre Mutter Catharine Marie Kindermann war die Tochter von Peter Heinrich Kindermann und Marie Elsabein Herkströter; ihr Vater Zacharias Schulze war der Sohn von Johann Friedrich Schulze und Margarethe Elsabein Herkströter. Marie Elsabein und Margarethe Elsabein waren Schwestern, und zwar die Töchter von Caspar Henrich Herkströter und Catharina Elsabein Wissmann. Ups. 

Da hatten also "zweyer Schwestern Kinder" ihr Kind taufen lassen, aber von einem Hurkind ist nicht die Rede, und auch nicht von einem Dispens. Die eine Schwester wohnte in Ascheloh, die andere in Amshausen, beide trugen verschiedene Nachnamen, und ihr Geburtsname "Herkströter" war nun auch ein ziemlich geläufiger Name in Halle, Hörste und Brockhagen. Da ist das Kind wohl einfach so durchgerutscht... 

Katharine Karoline Schulze heiratete später den Heuerling Friedrich Wilhelm Ahlemeyer und wurde meine Ur-Ur-Großmutter.