Dienstag, 21. September 2021

Schande über Schande

Im 17. Jahrhundert waren die Herren Pastoren ja verflixt schnell darin, über Frauen zu urteilen, die uneheliche Kinder bekommen hatten. Da war man mit dem Begriff "Hurkind" ziemlich schnell dabei, auch im Wertheraner Kirchenbuch. Gleichzeitig ist man heute froh, wenn überhaupt nicht nur der Name des Kindes, sondern auch die Namen der Eltern angegeben sind. Selbstverständlich ist das nämlich nicht. Heute sitze ich hier und denke, "Klar, beim Urteilen seid Ihr schnell dabei gewesen, aber hättet Ihr nicht auch Euren Job ordentlich machen und das Kirchenbuch vernünftig führen können?" 

Gut, das ist nun aus der Perspektive einer berufstätigen Frau im 21. Jahrhundert gedacht, die keine Probleme damit hat, wenn jemand sie Feministin nennt, und die 20 Jahre lang mit ein und demselben Mann zusammengelebt hat, bevor sie ihn geheiratet hat... 

Trotzdem.

Im Jahr 1684 habe ich einen Eintrag gefunden, der sehr wohl alle Namen beinhaltet: 


7. den 21 january Wilm Hörman und Trine Marike 
Hörmans zweyer Brüder Kinder ein Hurkind 
taufen laßen genant Trine Marike. 

Da hatten also Cousin und Cousine 1. Grades ein Kind gezeugt, und nein, verheiratet waren die beiden auch nicht. Welcher dieser beiden Umstände war eigentlich schlimmer? Von Genetik hatte man damals ja noch nicht so viel Ahnung...  Die pastorale Meinung wurde dennoch deutlich Kund getan:

"Schande über Schande." 

Das war deutlich.

Ich weiß noch nicht, um welche Hörmanns es sich da gehandelt hat. Das hier sind jetzt Zeiten, in denen man froh ist, wenn man eine Kernfamilie überhaupt zusammen gepuzzelt bekommt. Aber das wäre ja auch zu einfach gewesen... 

Natürlich hatten die Hörmanns hier das Problem, dass alle den gleichen Nachnamen trugen und die Familienverhältnisse deshalb sehr offensichtlich waren. Es würde mich auch nicht wundern, wenn alle auf einem Hof gelebt hätten.

In meiner Familie ist die Sache etwas "dezenter" aufgelaufen, um genauer zu sein, im Fall meiner Ur-Urgroßmutter Katharine Karoline Schulze, die am 28.02.1846 in Ascheloh 22 zur Welt gekommen ist: Auch ihre Eltern waren Cousin und Cousine ersten Grades. Ihre Mutter Catharine Marie Kindermann war die Tochter von Peter Heinrich Kindermann und Marie Elsabein Herkströter; ihr Vater Zacharias Schulze war der Sohn von Johann Friedrich Schulze und Margarethe Elsabein Herkströter. Marie Elsabein und Margarethe Elsabein waren Schwestern, und zwar die Töchter von Caspar Henrich Herkströter und Catharina Elsabein Wissmann. Ups. 

Da hatten also "zweyer Schwestern Kinder" ihr Kind taufen lassen, aber von einem Hurkind ist nicht die Rede, und auch nicht von einem Dispens. Die eine Schwester wohnte in Ascheloh, die andere in Amshausen, beide trugen verschiedene Nachnamen, und ihr Geburtsname "Herkströter" war nun auch ein ziemlich geläufiger Name in Halle, Hörste und Brockhagen. Da ist das Kind wohl einfach so durchgerutscht... 

Katharine Karoline Schulze heiratete später den Heuerling Friedrich Wilhelm Ahlemeyer und wurde meine Ur-Ur-Großmutter. 

 

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