Haben Sie auch so unglaublich viele Kinder im Stammbaum, die am "Kinderschrecken" gestorben sind?
Es sind bei mir jedenfalls zu viele, um dieses Phänomen einfach mit dem plötzlichen Kindstod (wie wir ihn heute kennen) erklären zu können, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind heute einen plötzlichen Kindstod stirbt, bei dem keine konkrete Ursache festgestellt werden kann, liegt "nur" bei ungefähr 0,04 Prozent.
Wenn ich dann aber in einer Kleinstadt in einem Jahr knapp 20 Kleinkinder finde, bei denen als Todesursache "Kinderschrecken" angegeben ist, dann würde ein Vergleich ungemein hinken. Das Problem dürfte also eindeutig in der Diagnostik gelegen haben.
Klar, die Diagnosemöglichkeiten waren begrenzt, und wir reden hier ja nun auch von Kleinkindern: von den kleinen Geschöpfen, die eben noch nicht in der Lage waren, explizit zu schildern, welche gesundheitlichen Probleme sie denn gerade plagten. Die einzigen Möglichkeiten, die vor Ort zur Verfügung standen, waren wahrscheinlich das Abtasten des Körpers und der ganz normale Augenschein.
Oft war als Todesursache ja auch "Schwäche" angegeben, was wahrscheinlich die Kinder betraf, bei denen man schon länger (vielleicht ein paar Tage oder Wochen?) vor ihrem Tod bemerken konnte, dass sich da etwas Ungutes zusammen braute. Der Umkehrschluss wäre dann der, dass der "Kinderschrecken" ziemlich plötzlich zugeschlagen haben müsste.
Und warum nannte man den Kinderschrecken eigentlich Kinderschrecken? Stellt man ihn sich als dunkle Gestalt vor, die nachts die kleinen Kinder holte? Im Englischen gibt es ja den "bogeyman", vor dem sich der Nachwuchs gefälligst in Acht nehmen sollte. Ist es hier so ähnlich? Oder meinte man eher den Schrecken, den die Eltern bekommen mussten, wenn sie ihr vor kurzem noch quietschfideles Kind plötzlich tot im Bettchen fanden?
Vielleicht ja beides, aber ich kann mir gut vorstellen, dass ein gewisses Maß an Aberglauben auch eine Rolle spielte. Umso bemerkenswerter, dass sich der Ausdruck "Kinderschrecken" so oft in Kirchenbüchern findet - man hätte ja genau so gut auch "unbestimmt" schreiben können, wie man es bei älteren Kindern und Erwachsenen hielt.
Der Begriff "Kinderschrecken" taucht jedenfalls in keiner der üblichen "Todesursachenerklärungslisten", die man im Netz so findet, auf. Das ist auch schon meinen Forscherkollegen hier im Umkreis aufgefallen, mit denen ich mich ja regelmäßig austausche. Wenn man den Begriff googelt, dann fragt Google übrigens gleich nach, ob man nicht vielleicht doch "Kind erschrecken" meinte... wobei ich mich dann wieder frage, welche Art von Menschen ausgerechnet so etwas googeln würde?!
Ganz davon abgesehen: Wenn Sie nicht in OWL forschen - ist Ihnen der Begriff schon einmal über den Weg gelaufen? Ich bin neugierig!
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