Als ich die Judenregister von Werther bzw. aus dem Altkreis Halle durchguckte, fiel mir auf, dass bis 1846 in den allermeisten Fällen nicht nur das Datum der Beschneidung (Brit Mila) genannt wurde, sondern auch derjenige, der dieses Ritual durchgeführt hat. In der Zeit von 1815 bis 1821, als Pastor Gieseler das Register geführt hat, erwähnt er zwar nur in einem einzigen Fall, wer die Beschneidung vorgenommen hatte ("Rabbi Moses"), aber danach, im kreisweiten Register, steht es bei jedem Jungen explizit dabei.
Und ich frage mich, was diese Information überhaupt in behördlichen Akten zu suchen hatte. Ist ja schließlich ein religiöser und kein staatlicher Akt.
Trotzdem: Wenn man diese Informationen schon mal hat, dann kann man sie ja auch nutzen. Ich habe sie also mit in Werthers Gedächtnis eingearbeitet. Der Vollständigkeit halber. Die Taufdaten der anderen Kinder habe ich ja auch erfasst.
Und weil ich gerade schon einmal dabei war, habe ich mir auch noch eine Liste der "Beschneider" angelegt. Der Grund dafür war eigentlich, dass mir der Name "Selig Werthauer" so oft aufgefallen war - und ja, bei 22 von 46 Beschneidungen, bei denen der Name des Mohel (das ist der terminus technicus) aufgeführt ist, war es Selig Werthauer, der die Prozedur durchführte:
Name | Ort | Anzahl | Jahre |
Arensberg, Julius | Lage | 1 | 1839 |
Baumann, Peritz | Oerlinghausen, später Spenge | 2 | 1840-1845 |
Boas, Bendix | Lübbecke | 2 | 1825-1830 |
Boas, Michel | Lübbecke | 1 | 1826 |
"Rabbi Moses" | 1 | 1818 | |
Paradies, Abraham | Lage | 2 | 1825-1827 |
Paradies, Isaac | Lage, ab 1827 Oerlinghausen | 5 | 1824-1831 |
Paradies, Samson | Oerlinghausen | 4 | 1832-1844 |
Posener, Joachim | Bielefeld | 3 | 1830-1846 |
Weinberg, Abraham Aron | Westernkotten | 5 | 1815-1828 |
Werthauer, Selig | Herford | 22 | 1824-1846 |
Selig Werthauer dürfte also ein ziemlich beschäftigter Mann gewesen sein, denn wenn ich mir die Register so angucke, dann war er nicht nur in Werther aktiv. (Und ich nehme mal an, dass die drei Herren Paradies miteinander verwandt waren.)
Soweit ich weiß, durfte ein Mohel für seine Tätigkeit als solche kein Geld annehmen, sondern nur Spesen für seine Aufwendungen. Was mich im übrigen auch zu der Frage bringt, wie vor allem Herr Werthauer seine Logistik bewältigt hat.
Ein Neugeborener musste am Abend seines 8. Tages beschnitten werden (es sei denn, das Kind war zu schwach), also war es wichtig, dass der Mohel genau dann an Ort und Stelle war. Wie genau kriegte man das hin, vor allem, wenn ein Kind ein paar Tage früher auf die Welt kam als gedacht? Heute braucht man mit dem Auto eine knappe halbe Stunde für den Weg von Herford nach Werther, aber damals war das im Grunde eine Tagesfahrt. Sagte man vorher Bescheid, so in dem Sinne, "Meine Frau bekommt wahrscheinlich in den nächsten Tagen ein Kind, und falls es ein Junge wird, hätten wir Sie gerne als Mohel bei der Brit Mila dabei..."?
Und überhaupt - wie wurde die Brit Mila gehandhabt? Ich meine jetzt nicht zwingend den Schnitt an sich, aber in welchem Raum wurde sie durchgeführt? Wieviele Leute waren dabei? Wer war dabei? Wurde gefeiert, und wenn ja, wie? Was passierte, wenn sich die Wunde entzündete - ging man dann zum - evangelischen - Doktor?
Falls jemand Ahnung von diesen Dingen hat: Hinterlassen Sie mir einen Kommentar - ich bin neugierig!
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