Samstag, 8. Mai 2021

Mit den besten Wünschen vom Jungfrauenverein

Freunde von uns haben ein Haus gekauft, das noch nicht leergeräumt war.  Und was fand sich dort? 

Das hier: 


"Brastberger's Predigten", schön im Schuber und noch gut erhalten. Die stehen ab heute bei mir im Bücherregal. Nicht, weil ich vorhätte, meinem Gatten jeden Sonntag eine Predigt vorzulesen (ich glaube, er würde dann die Scheidung einreichen), sondern weil es einer Person gehört hat, die in meinem Stammbaum vorhanden ist, wie die Widmung zeigt: 


"Dem treuen Mitglied des Jungfrauenvereins zu Werther 

Anna Johanne Luise Schwenker 

zur Erinnerung und mit dem Wunsche eines 

gesegneten Gebrauchs gewidmet. 

Werther, 17. Oktober 1902                                Der Jungfrauenverein Werther 

                                                                                       Münter, Pfarrer"

Zugegeben, ich musste auch erstmal gucken, wer denn dieser ominöse Herr Brastberger ist, denn ich hatte noch nie etwas von ihm gehört. Und einen "Jungfrauenverein", der mir ein solches Buch hätte widmen können oder wollen, gab es zu meiner Zeit halt auch nicht mehr. 

Im Netz wurde ich schnell fündig: Immanuel Gottlob Brastberger, Geistlicher, einer der Begründer des Württembergischen Pietismus. Alt ist er nicht geworden, er starb 1764 mit erst 48 Jahren in Nürtingen. Das Buch mit seinen Predigten war anscheinend damals eine Art Bestseller; es ist in zig Auflagen gedruckt worden und hat sich durch die vielen Auswanderer, die es augenscheinlich mitgenommen haben (trotz des Gewichts), in der ganzen Welt verteilt. Auf dem Bild sieht man Pfarrer Brastberger auf einem Stich von Johann Jacob Haid, den man nicht nur bei wikipedia findet, sondern auch in meinem Buch hier, direkt gegenüber dem Titelblatt, auf dem es heißt: 


Evangelische 

Zeugnisse der Wahrheit

zur 

Aufmunterung im wahren Christenthum

theils aus den gewöhnlichen 

    Sonn-Fest- und Feiertags-Evangelien, 

theils 

aus der Passions-Geschichte unsers Erlösers. 

In einem 

vollständigen Predigt-Jahrgang 

zusammengetragen und 

mit einem Anhang einiger Casual-Predigten 

versehen von 

M. Immanuel Gottlob Brastberger, 

gewesenen Special-Superintendenten und Stadtpfarrer zu Nürtingen. 

Kein Wunder, dass sie es auf dem Buchrücken mit "Brastberger's Predigten" abgekürzt haben. Klingt auch irgendwie... kompakter. 

Die Anna Johanne Luise Schwenker (diesen Mal Schwentker ohne t), die das Buch bekommen hat, war am 24.11.1879 in Rotenhagen Nr. 17 geboren worden; ihre Eltern waren der Heuerling Hermann Heinrich Schwenker und Catherine Ilsabein Vossieck

Soweit ich weiß, bin ich in der Schwen(t)ker-Linie mit Anna "nur" verschwägert, trotzdem bekomme ich aber eine direkte Linie zu ihr hin: Über die Hapkes und die Bergmanns aus Theenhausen Nr. 3 bzw. Nr. 8, denn dort kreuzen sich unsere direkten Linien. 

Auch den Anlass der Schenkung kenne ich: Es war Annas Hochzeit mit dem Heuerling Johann Heinrich Horstkotte aus Schröttinghausen Nr. 9, die an genau diesem 17. Oktober 1902 in Werther stattfand. Anscheinend hat Anna das Buch nach ihrer Hochzeit tatsächlich auch noch zumindest ab und an zur Hand genommen, denn in der Gründonnerstagspredigt fand ich als Lesezeichen ein Kalenderblatt aus dem Jahr 1909, auch sehr christlich mit dem Spruch des Tages bedruckt. Nach ihrer Hochzeit wurde Anna ziemlich schnell schwanger; am 20. August 1903 brachte sie in Rotenhagen Nr. 9 ein totgeborenes Mädchen zur Welt. Vielleicht hat das Buch ihr ja geholfen, darüber hinwegzukommen und ihr in irgendeiner Art und Weise eine Erklärung für ihren Verlust geliefert? 

Irgendwie wünsche ich mir, dass es so war. 

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