Donnerstag, 12. August 2021

Die oftmals unterschätzte Kunst der Ad-hoc-Hochzeit: Auch eine Familientradition!

Ich weiß noch genau, was ich heute vor fünf Jahren gemacht habe: "Ja" gesagt, im Haller Standesamt, mit ganz wenigen Leuten dabei und einem großen Hund. Ich weiß auch noch genau, wo ich gestern vor fünf Jahren war: Auch im Standesamt. Zur Vorbesprechung. Wir waren da etwas kurzentschlossen. Und als die Standesbeamtin sagte, dass sie nur noch am nächsten Tag da wäre und danach erstmal für diverse Wochen im Urlaub, da war es klar: "Ach, morgen passt. Elf Uhr ist in Ordnung!" 

Wir sind heute noch froh, dass wir es so gemacht haben, wie wir es gemacht haben. Kein Ins-Kleid-Hungern, keine Platzkärtchen, und keine Bedenken, ob unser Musikgeschmack denn auch mit dem unserer Verwandtschaft übereinstimmt. Über meinen Ehering habe ich hier ja schon einmal was erzählt. Und der befindet sich bis heute nicht ohne Grund an meinem Finger. 

Wenn ich aber so in meiner Familie über die Generationen zurückgucke, dann bin ich nicht die einzige, die Knall auf Fall geheiratet hat. Eine gewisse Tradition gibt es da in meiner Mütterlinie, wenn auch mit anderen Vorzeichen als bei mir. Die einzige, die eine "klassische" Hochzeit im weißen Kleid hatte, war wohl meine Mutter. In den Generationen vor ihr war es anders... 

Meine Großmutter: Martha Sickendiek geb. Hauffe

Ich hatte hier schon einmal etwas über Marthas Hochzeit mit Wilhelm geschrieben. Man schrieb das Jahr 1940, und Wilhelm war Soldat auf Heimaturlaub. Es musste also schnell gehen mit der Organisation. 

Wenn ich sie gewesen wäre, dann hätte ich wohl genau dasselbe gemacht: Nägel mit Köpfen. Wenn die äußeren Umstände schlimm sind, dann weiß man, was - und vor allem: wen - man festhalten will. Da akzeptiert man zur Not auch, dass der Mensch neben einem Uniform und Stiefel trägt. 

Bei den beiden hat es geklappt: Ehedauer 45 Jahre. 


Meine Urgroßmutter: Lina Hauffe geb. Ortmeyer 

Wieder ein Krieg, der bei der Hochzeit eine Rolle spielt, aber dieses mal der 1. Weltkrieg. Aber immerhin hat dieser Krieg erst ermöglicht, dass Lina ihren Willy kennengelernt hat. Ich glaube nämlich nicht, dass es ihn ansonsten aus Burg bei Magdeburg ausgerechnet nach Halle (Westf.) verschlagen hätte. 


Ich kann aber immer noch nicht genau sagen, wie und wann Willy nach Halle gekommen ist. Gesichert ist, dass er im zivilen Leben Kutscher war; diese Angabe findet man sowohl in seinem standesamtlichen Heiratseintrag als auch im kirchlichen. Was ich aber sagen kann ist, dass Willy im Januar oder Februar 1918 in Halle gewesen sein muss, denn Lina wurde am 25.10.1918 Mutter ihrer gemeinsamen Tochter, eben meiner Oma Martha. 

Die Heirat selbst gestaltete sich wohl etwas komplizierter, denn Willy war nach der Zeugung meiner zukünftigen Großmutter eben nicht in Halle geblieben. Die Familienlegende sagt, dass Lina sich deshalb nach Berlin aufmachte, um Willy zu finden. Der wirklich delikate Teil der Familienlegende sagt, dass die ganze Truppe antreten musste, damit Lina den "Missetäter" identifizieren konnte, weil sie seinen Nachnamen nicht kannte (und "Willy" bzw. Wilhelm waren zur Kaisers Zeiten ja wirklich sehr verbreitete Namen). Was an diesem Teil der Geschichte dran ist, kann ich beim besten Willen heute nicht mehr sagen. Ich kann mir die Szene aber lebhaft vorstellen... 

Fakt ist jedenfalls, dass Willy "rechtzeitig" wieder in Halle war: Am 4. September wurde geheiratet, sowohl standesamtlich als auch kirchlich. Im Traueintrag beim Standesamt hat Willy auch angegeben, "zur Zeit" in der Langen Str. 16 zu wohnen, also bei Lina und ihren Eltern. Das Hochzeitsfoto habe ich leider nicht, aber darauf hätte der Babybauch eigentlich ganz gut zu sehen sein müssen - so im 8. Monat... 

Willy war damals 22, Lina 23 Jahre alt. Ehedauer: 51 Jahre. 

Meine Ur-Ur-Großmutter: Minna Ortmeyer geb. Torweihe

Minna war aus meiner Sicht eigentlich diejenige, die in Sachen "Timing" den Vogel abgeschossen hat: 

Am 22.11.1892 wurde sie 24 Jahre alt. 

Am 25.11.1892 hat sie meinen zukünftigen Ur-Ur-Großvater Wilhelm Ortmeyer geheiratet. 

Am 27.11.1892 hat sie meine zukünftige Urgroßtante Martha zur Welt gebracht. 

Ein straffes Programm für eine Woche, oder? Zwischen Kirche und Kindbett kann sie nicht allzuviel Zeit gehabt haben. Und auch hier hätte ich liebend gerne mal ein Hochzeitsfoto gesehen. 

Wilhelm war zu diesem Zeitpunkt übrigens 25 Jahre alt. Ehedauer: 37 Jahre. 

Und was sagt mir das? 

Nun ja, zum einen, dass ich statistisch gesehen eine lange Ehedauer zu erwarten hätte. Wenn ich die Ehen meiner vier direkten Vorfahrinnen als Durchschnitt nehme, komme ich immerhin auf 45,75 Jahre. Allerdings waren meine Vorfahrinnen zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung im Schnitt auch erst 22 Jahre alt. Ich war 42 ;-) Mit den 45,75 Jahren könnte es also allein schon deshalb knapp werden. Andererseits: Ich hatte das Glück, mit meinem Mann schon vor dem Gang zum Standesamt 20 Jahre ohne Trauschein verbringen zu können, ohne dass uns jemand schief angeguckt hätte. Damit relativiert sich wieder so einiges. 

Was aber auch auffällt ist die Tatsache, dass hier fünf Frauen in einer Linie stehen, deren Hochzeiten unter komplett unterschiedlichen äußeren Umständen stattfanden. Klar, bei zweien spielten Kriege eine Rolle, bei zweien voreheliche  Schwangerschaften. Trotzdem sind die Geschichten andere. Mal kannte man sich nur kurz, mal über 20 Jahre. Und wahrscheinlich könnte keine von uns fünfen behaupten, dass unsere Umwelt, seien es die Menschen, seien es die allgemeinen Lebensumstände, nicht irgendeine Auswirkung auf unser "Wann und Wie" gehabt hätten. 

Da schließt sich der Kreis wieder. Ein Kreis, in dem ich mich gut aufgehoben fühle. 



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Wer etwas ergänzen möchte, kann das hier gerne tun: