Freitag, 7. Januar 2022

An der Chaussee nach Enger

Als mein Urgroßvater Hermann Schwentker in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ein Haus für sich und seine zukünftige Familie baute, lag sein Grundstück noch nicht an der "Engerstraße", sondern an der "Chaussee nach Enger".  Allem Anschein nach schien der Name berechtigt zu sein, denn zumindest zu der Zeit, als diese beiden Fotos hier entstanden sind, gab es dort tatsächlich  noch Bäume!

Heute sieht es hier wesentlich anders aus: Das Kopfsteinpflaster ist genauso verschwunden wie der Baum; das Haus ist auch umgebaut worden. Zwar ist es immer noch rot verklinkert, aber die Fenster und ihre Verzierungen sind beim Ausbau des ersten Stockwerks auf der Strecke geblieben, was ich unheimlich schade finde. Allein vom Äußeren her betrachtet hatte das Haus damals mehr Charakter als heute, auch wenn das natürlich im Auge des jeweiligen Betrachters liegt. Hermann wollte als Maurermeister wohl zeigen, was er konnte. 

Der Blick auf die andere Straßenseite zeigt aber, dass "Werther 203" nicht das einzige Haus war, dem es so erging: 
Ich habe keine Ahnung, wer da mit seinem Rädken so schwungvoll in "unsere" Einfahrt abbiegt, aber damals war das noch möglich. Heute schwebt jeder Radfahrer, der ein solches Unterfangen unternimmt, in mehr oder weniger akuter Lebensgefahr, denn die Straße ist als Ausfallstraße naturgemäß immer stark befahren. Alles, was sich aus Werther in Richtung Häger, Jöllenbeck, Schröttinghausen oder Spenge bewegt, muss im Grunde hier entlang. 

Ganz ungefährlich war es aber auch in den 1950ern nicht: Uropa Hermann hat es geschafft, sich als Fußgänger ungefähr 1955, also nur ein paar Jahre vor seinem Tod, direkt vor dem Haus von einem Auto anfahren zu lassen. Er hatte aber Glück und hat es überlebt. 

Ich weiß nicht, ob die Perspektive täuscht, aber insgesamt wirkt die Straße wesentlich schmaler als heute, obwohl man keine richtigen Bürgersteige erkennen kann, die heute wie selbstverständlich auf beiden Straßenseiten vorhanden sind. Insgesamt wirkt alles heimeliger und gemütlicher als heute, obwohl das Kopfsteinpflaster mit Sicherheit auch seine Tücken hatte. Moderne Häuser und Straßen sind halt oft nur noch auf Funktionalität ausgerichtet; die Optik spielt eine eher untergeordnete Rolle, und "charmant" ist heute kein Neubau mehr. Ich kann das zwar nachvollziehen und erklären, aber schade finde ich es trotzdem. Wahrscheinlich ist das auch einer der Gründe, weshalb so oft von der "guten alten Zeit" erzählt wird... 

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