Bis 1874 starb man in Werther grundsätzlich zu Hause, versorgt von den Angehörigen. Ausnahmen gab es - logischerweise - eigentlich nur bei unnatürlichen Todesfällen, und selbst dann nicht immer.
Wer keine Angehörigen hatte, wurde oft "umgelegt". Das ist jetzt im Sinne von "verlegt" zu verstehen, denn es gab tatsächlich ein System, nach dem pflegebedürftig gewordene Mägde und Knechte, die lange Zeit treu gedient hatten, auf den Höfen der jeweiligen Bauerschaft für eine Weile versorgt wurden, bis sie dann auf den nächsten Hof verlegt wurden. Der Transport war eher einfach gehalten und mit einem Krankenwagen, wie wir ihn heute kennen, kaum zu vergleichen: Die Person wurde zum Beispiel auf Kissen gebettet auf eine alte Tür gelegt, die dann wiederum auf einem mit Stroh gefüllten Wagen gehievt wurde, und dann ging es über eher holprige Wege und Straßen von einem Hof zum anderen.
Dieses System änderte sich erst 1875, als Werther sein erstes und noch ziemlich kleines Siechenheim bekam.
aus "100 Jahre Krankenhaus Werther" (Pfarrer Werner Lohmann)
Plötzlich finden sich in den Sterberegistern und Kirchenbüchern Menschen, die "im Pflegehause Arrode 13" oder "im St. Jacobi Stift" gewohnt haben und auch dort gestorben sind. Der erste von ihnen war der Heuerling (so steht es jedenfalls im Kirchenbuch; im standesamtlichen Sterberegister finde ich ihn als Tagelöhner) Jobst Heinrich Giesselmann aus Werther, der am 12. Januar 1875 an Altersschwäche starb - mit gerade einmal 72 Jahren. Er hatte übrigens noch Angehörige, die ihn theoretisch hätten pflegen können, denn immerhin vier seiner nach meiner bisherigen Zählung acht Kinder lebten noch, nämlich ein Sohn und drei Töchter.
Weshalb sich die Kinder dafür entschieden haben, ihren Vater ins Heim zu geben, wird wohl für immer ungeklärt bleiben, aber warum sollte es den Menschen damals anders gegangen sein als heute? Zeit- und Platzmangel gab es auch damals schon, auch wenn wir heute wahrscheinlich andere Maßstäbe anlegen, und ich bin auch davon überzeugt, dass nicht jeder dafür gemacht ist, andere Menschen zu pflegen, vor allem nicht ihre nächsten Angehörigen in deren letzten Tagen. Das ist etwas, das wir auch heute noch oft unterschätzen.
Insofern dürfte dieses kleine Haus, aus dem sich später an gleicher Stelle ein "richtiges" Krankenhaus entwickeln sollte, für viele Wertheraner eine große Erleichterung bedeutet haben.
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