... was würde ich dann anders machen? Würde ich überhaupt etwas anders machen?
Warum denke ich überhaupt darüber nach? Ganz einfach: Die Wundertüte namens YouTube hat mir ein Video ausgespuckt mit dem wunderbaren Titel "If I Had to Do My Family Tree Over Again", auf einem Kanal namens Genealogy TV. Ich gehöre zu denen, die YouTube gerne mal im Hintergrund laufen lassen, wenn sie eigentlich etwas völlig anderes machen (so wie andere Leute, die Radio hören), und plötzlich war es da. Und ich hörte Dinge wie, "Ich würde mich sofort bei Ancestry anmelden" oder "Ich würde mir direkt ein DNA-Testkit im Sonderangebot holen, am besten mehrere". Und ich dachte,
"Nein, wenn ich nochmal neu mit meinem Stammbaum anfangen müsste, dann würde ich vieles wieder genauso machen."
Nicht alles, aber vieles.
Ich würde immer noch mit dem anfangen, was ich habe, vorzugsweise schriftlich. Ich würde mir immer noch als allererstes das Familienbuch meiner Eltern schnappen und, soweit es denn vorhanden ist, auch das meiner Großeltern. Und von da aus würde ich dann weiter gucken, ob ich noch in der "Standesamt-Zeit" bin oder ob ich auf die Kirchenbücher angewiesen bin. Und ich würde weiterhin jedes Original-Dokument, sei es als Papierversion direkt vor mir oder als Scan, jedem Online-Stammbaum vorziehen.
Was würde ich denn nun tatsächlich anders machen?
Ich würde mir direkt für jede Person - oder zumindest für jede Familie - ein eigenes Word-Dokument anlegen, in dem wirklich alle Informationen enthalten sind, die ich über diese Familie habe. Samt Quellen! Wozu gibt es schließlich Fußnoten? So eine Zusammenfassung erleichtert das Forscherleben ungemein, und selbst heute bin ich noch dabei, an den Dateien für meine direkten Vorfahren zu arbeiten. Ein Stammbaum auf dem Rechner ist zwar schön, aber manchmal brauche ich halt ganz altmodisch etwas zum Blättern und nicht zum Klicken und Scrollen.
Ich würde mehr mit den älteren Leuten in der Familie sprechen, oder mit Leuten, die meine Familie gekannt haben. "Erzählt mir von früher. Wie war das?" Ich hatte nun das Glück, ziemlich jung zu sein, als ich mit der Forschung anfing, aber trotzdem waren meine Großeltern damals schon allesamt tot, was leider nicht unbedingt für die Langlebigkeit in der Familie spricht. Trotzdem gab es noch diverse Großonkel und Großtanten, die mir wahrscheinlich Vieles hätten erzählen können, wenn ich sie denn nur rechtzeitig gefragt hätte. Das ist unendlich schade, lässt sich aber nicht mehr ändern.
Ich hätte mich eher in den Standesamtsregistern vergraben. Schon alleine, um die noch lebenden Verwandten und Bekannten nach denen befragen zu können, die ich da gefunden hätte. Wenn ich eins aus der Forschung gelernt habe, dann die Tatsache, wie kurz das menschliche Gedächtnis ist. Und wie selektiv. Wie viele Nicht-Forscher kennen noch die Namen ihrer Urgroßeltern? Dank des deutschen Datenschutzes gehören die letzten 100 Jahre tatsächlich zu den schwierigsten, obwohl ich nie verstanden habe, was daran so geheimnisvoll sein soll, wann man geboren oder gestorben ist und wer die Eltern sind oder waren.
Ich würde mir mehr Notizen machen. Ich hätte immer ein kleines Notizbuch bei mir, und jedes Mal, wenn mir jemand etwas erzählt, das auch nur ansatzweise für meine Familiengeschichte interessant ist, dann würde ich es mir direkt aufschreiben. Und es dann abends oder in einer ruhigen Minute direkt in meinen Stammbaum eintragen. Und sei es auch nur als Frage, Aufgabe oder Anmerkung.
Ich würde noch mehr in die Breite forschen. Es ist ja schön, wenn man 20 Generationen mit Namen benennen kann, aber wirklich mit Leben füllen kann man eine Familiengeschichte doch erst dann, wenn man die Umstände kennt, unter denen diese Menschen, die wahrscheinlich gar nicht mal so großartig anders waren als wir heute, gelebt haben. Einfach nur Name-Geburtsdatum-Sterbedatum, das reicht mir nicht. Ich möchte mehr wissen! Soll heißen: Unter anderem hätte ich mir gewünscht, dass ich damals Geschichtslehrer gehabt hätte, die mir nahe gebracht hätten, dass "Geschichte" auch die Geschichte meiner Familie ist, wenigstens bis zu einem gewissen Grad.
Also... keine Rede von Ancestry und Familysearch, sondern von guter alter Handarbeit und Wissensaneignung. Das mag auch daran liegen, dass es damals in grauer Vorzeit, als ich angefangen habe, Ancestry noch gar nicht gab und familysearch zusammen mit dem ganzen Netz noch in den Kinderschuhen steckte. Vielleicht liegt es auch mit daran, dass ich älter werde ("Wir hatten noch gar kein Ancestry! Aber an drei Samstagen im Monat Schule!")? Nein. Ich glaube einfach nur, dass man sich das "Grundgerüst", das man zum Forschen braucht, nicht einfach so im Netz aneignen kann. Nur die eigentliche Informationsbeschaffung ist mit Archion und Co. und wesentlich einfacher geworden. Und was ich dort nicht finde, das findet sich - heute wie damals - halt ganz klassisch im Archiv.
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