Im Moment beschäftige ich mich - unter anderem, muss man sagen - mit den Wertheraner Sterbeeinträgen von 1979. Eine Sache ist mir dabei aufgefallen, die ich doch etwas kurios finde.
Wenn eine verheiratete Frau starb, wurde bis dahin keine besondere Bezeichnung angegeben. Sie war halt einfach die "Ehefrau des XY", es sei denn, sie arbeitete, was in den seltensten dieser Fälle so gewesen zu sein scheint. Also "arbeiten" im Sinne von "bezahlt von jemand anderem und Tätigkeit für für jemand anderen als die eigene Familie". Bei den unverheiratet gestorbenen Frauen findet sich fast immer eine Berufsbezeichnung, was auch nicht weiter verwundert, weil sie ja von irgendetwas leben mussten.
So ab August 1979 wimmeln die Sterbeeinträge nun von gestorbenen "Hausfrauen". Plötzlich war man nicht nur die "Ehefrau des XY", sondern auch noch quasi zusätzlich "Hausfrau".
Nicht, dass sich dadurch an der Realität etwas geändert hätte. Diese Frauen haben sich eben um ihre Familie und den Haushalt gekümmert, oft genug aber auch im Geschäft des Mannes mitgearbeitet, ohne dass es offiziell angemessen gewürdigt wurde, denn auch sie haben ja oft wirklich hart geschuftet. Nur eben ohne Bezahlung.Trotzdem finde ich den Zeitpunkt dieser "Hausfrauenbenennung" merkwürdig. Bei den 70ern, die ich ja nun noch teilweise miterleben durfte, denke ich nicht nur an Prilblumen, wilde Muster in orange, braun und grün und Schlaghosen, sondern auch an die Frauenbewegung mit dem legendären "Wir-haben-abgetrieben"-Cover des Sterns aus dem Jahr 1971 und vor allem der Familienrechtsreform, die dazu führte, dass verheiratete Frauen ab 1977 endlich auch ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten konnten.
Mitten in dieser Umbruchszeit also tauchen plötzlich die "Hausfrauen" auf.
Kurios, kurios...
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