Lage, Lippe, Samstag, der 9. Juli 2016. 13 Uhr nachmittags, strahlender Sonnenschein. Der Arbeitskreis Genealogie Steinhagen hatte beschlossen, dass es mal wieder Zeit war, sich einen Ausflug zu gönnen. Ein Besuch in Lage lag da nahe, zumal es von Steinhagen aus wesentlich einfacher zu erreichen war als das Auswandererhaus in Bremerhaven, das wir vor knapp zwei Jahren schon in ähnlicher Angelegenheit heimgesucht hatten. In meinem Fall hatte dieses Mal sogar den Familienforschungsmuffel dabei, der sich hatte breitschlagen lassen, weil er ja schließlich auch immer derjenige ist, der mit mir zusammen in die USA fährt.
Und ein besseres Wetter hätten wir uns für den Besuch im Ziegeleimuseum gar nicht aussuchen können. Da haben wir mal Glück gehabt.
Glück - das ist auch das Thema der Sonderausstellung, die noch bis zum 25. September im Museum läuft. Um genauer zu stein: "Vom Streben nach Glück", und zwar in diesem Fall durch die westfälischen und lippischen Auswanderer, die vor allem ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in Scharen in die USA strömten. Insgesamt sollen es allein aus Westfalen über 200.000 gewesen sein. Allein schon, wenn man sich diese Zahl vergegenwärtigt, merkt man, dass Aus- bzw. Einwanderung kein Phänomen des 21. Jahrhunderts ist...
Die USA haben das Streben nach Glück übrigens als Recht in ihrer Verfassung verankert. Schon allein deshalb ist der Titel der Schau schon sehr treffend gewählt.
Die Sonderausstellung ist übrigens, was ich doch bemerkenswert fand, im sowieso schon relativ günstigen Eintrittspreis von 3,00 EUR schon enthalten. Sie befindet sich in dem großen Raum links kurz hinter dem Eingang. Gutes Wetter hin oder her - die meisten von uns blieben erst einmal dort hängen. Wie das bei den Ahnenforschern halt so ist - man könnte ja schließlich einen bekannten Namen entdecken...
Auf so einen "bekannten" Namen stieß ich dann auch tatsächlich, nämlich auf einen gewissen Hermann Tubbesing, aus dessen Brief an seine Schwester auf einer der Schautafeln zitiert wurde:
"Tubbesing" ist ja so einer der klassischen Wertheraner Namen, die einem immer wieder auffallen. Schade nur, dass weitere Angaben zu diesem Hermann und seiner Schwester fehlen, so dass ich die beiden (zumindest im Moment noch) nicht zuordnen kann. Vielleicht gibt das Buch zur Ausstellung, das man für 14,95 EUR erwerben kann, dazu ja noch etwas her. Es liegt hier jedenfalls auf dem Wohnzimmertisch und wartet darauf, gelesen zu werden... Mit seiner Aussage hat der gute Hermann aber Recht: Wenn ich in die USA fahre, dann nehme ich auch immer nur das Allernötigste mit. Der Koffer füllt sich dann im Laufe der Wochen erfahrungsgemäß noch genug.
Als ich so durch den Raum wanderte, dachte ich noch, wie leicht wir es doch heute haben: Wir setzen uns in den Flieger, und neun Stunden später sind wir in der "Neuen Welt". Unsere Vorfahren hatten es bedeutend schwerer, wie die Ausstellung zeigt.
(Als meine bessere Hälfte die Zeichnung hier von dem heulenden Kind auf großer Atlantiküberfahrt sah, fiel ihm nichts besseres ein, als anzumerken, dass ich ähnlich gucken würde, wenn ich im Flieger sitze und das große Wasser ohne Zigarette überqueren muss. Danke, Schatz. Beim nächsten Mal überlege ich ernsthaft, ob ich Dich mitnehme...)
In späteren Jahren bestand dann auch tatsächlich die Möglichkeit, die alte Heimat und die zurückgelassene Familie zumindest wieder einmal zu besuchen, vorausgesetzt natürlich, man hatte in der Zwischenzeit das notwendige Kleingeld dafür erwirtschaftet:
Was die Darstellung der Überfahrt nach Amerika angeht, da ist die Ausstellung naturgemäß nicht so ausführlich wie die im Bremerhavener Auswandererhaus. Aber das kann man auch nicht erwarten. Hier werden, wenn man so will, die Grundinformationen gegeben. Wer eine Ahnung davon bekommen möchte, welche beklemmenden und vor allem beengten Verhältnisse auf den Auswandererschiffen vorherrschten, dem kann ich wirklich nur einen Besuch in Bremerhaven empfehlen.
Die Stärke der Ausstellung liegt eindeutig darin, dass sie sich auf die Lipper und auf die Westfalen in Amerika konzentriert. Das ist in Bremerhaven eben nicht der Fall. Es ist schon erstaunlich, wieviele große und in Amiland auch heute noch sehr bekannte Marken sich auf "unsere" Auswanderer zurückführen lassen. Ich war schon ziemlich baff, plötzlich eine Flasche Sam Adams vor mir stehen zu sehen.
Davon werde ich ein paar Wochen aller Wahrscheinlichkeit nach auch zumindest wieder nippen...
Am interessantesten fand ich persönlich die Darstellung des Deutsch-Amerikanischen Lebens. Die Deutschen waren übrigens auch nicht nicht sofort komplett "amerikanisiert", sondern behielten durchaus zunächst ihre deutsche Sprache und ihre deutschen Traditionen bei.
Am liebsten heiratete man untereinander, und deutsch(stämmig)e Handwerker und Fabrikbesitzer stellten am liebsten Deutsch(stämmig)e ein. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass ich hier im Grunde mit auch heute noch ganz aktuellen gesellschaftspolitischen Fragen konfrontiert wurde. Aber eine gute Ausstellung soll ja auch zum Nachdenken anregen, oder?
Das "Deutschsein" wurde spätestens dann zum Problem, als die USA - gegen das Deutsche Reich, wir erinnern uns - im Jahr 1917 in den Ersten Weltkrieg eintrat. Da stand dann auch die deutsche Sprache nicht mehr hoch im Kurs: Hatten zum Beispiel die deutschen Vereine ihre Sitzungen teilweise noch auf Deutsch abgehalten, so wurde dann oft genug beschlossen, dass nun Englisch die Vereinssprache sei. Das sind so die kleinen Beispiele der Konflikte, von denen auch die Ausstellung erzählt.
Als Fazit würde ich sagen, dass die Ausstellung eine gute Einführung in die Thematik "Auswanderung aus Westfalen und Lippe in die USA" gibt. Viele Bereiche, wie zum Beispiel die Gründe für die Auswanderung, werden zwar nur recht oberflächlich und erst recht nicht abschließend behandelt, aber alles in Allem sind die drei Euro wirklich gut investiert.
Wir hatten auch noch in einem zweiten Punkt Glück - es war an diesem Tag ziemlich leer im Museum, so dass wir uns wirklich ungestört umgucken konnten. Aber davon erzähle ich dann im zweiten Teil...
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